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Harley-Davidson in Nöten

Eine verfehlte Modellpolitik, zu viele Baureihen, massiver Konkurrenzdruck und der teure Produktionsstandort USA lassen Harley-Davidson schwächeln. Auf dem Heimatmarkt werden Arbeitsplätze abgebaut, die Fertigung wandert nach Indien und neuerdings auch nach Thailand ab

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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Harley-Davidson kämpft schon seit Jahren mit sinkenden Absatzzahlen. Als Konsequenz wird jetzt das Montagewerk in Kansas City, Missouri, geschlossen und 800 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Das verkündete die Firmenzentrale in Milwaukee. Die Arbeiter in der Fabrik zeigten sich völlig überrascht und entsprechend wütend.

Das Problem ist hausgemacht, Harley-Davidson leistet sich seit langem eine krude Modellpolitik. Es gibt viele teure Baureihen, die aber ausschließlich aus recht ähnlichen Cruisern und Tourern besteht, die fast nur noch Experten unterscheiden können. Als Konsequenz wurden die Baureihen V-Rod und Dyna jetzt eingestellt. Die drei Dyna-Modelle Fat Bob, Street Bob und Low Rider wurden für 2018 mit einem neuen Rahmen in die Softail-Baureihe integriert, die restlichen Dyna-Modelle und die V-Rod fanden kaum noch Käufer, dabei war der von Porsche entwickelte, wassergekühlte Motor der V-Rod der PS-stärkste im Harley-Programm.

Außerdem schafft die US-Marke es nicht, junge Fahrer anzusprechen. Der Versuch, mit der Street 500 und Street 750 kleinere und billigere Modelle als „Urban Bikes“ für den Stadtverkehr einzuführen, darf als gescheitert gelten. Die beiden in Indien gefertigten Modelle können einfach nicht überzeugen, sind zu schwerfällig und leiden unter Qualitätsmängeln.

Die Verkaufszahlen sinken

2017 sank der Absatz von Harley-Davidson-Motorrädern weltweit um 6,7 Prozent auf 242.788 Stück. Zum Vergleich: 2008 konnte Harley-Davidson noch 303.479 Bikes losschlagen. Allein im einst starken US-Markt wurden letztes Jahr 8,5 Prozent weniger Harley-Davidson gekauft. Gleichzeitig schrumpfte auch der Gewinn dramatisch, der Hersteller gab bekannt, dass im letzten Quartal 2017 der Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr um 82 Prozent auf 8,3 Millionen US-Dollar gesunken ist. Im Rekordjahr 2006 lag der Gewinn im vierten Quartal noch bei satten 252,4 Millionen US-Dollar. Die Nachricht der Werksschließung ließ die Harley-Davidson-Aktie an der Börse um sechs Prozent absacken.

Ein Werk in den USA geschlossen, eines in Thailand gebaut

Dabei hatte US-Präsident Donald Trump vor wenigen Monaten noch Harley-Davidson ausdrücklich als Vorbild für die amerikanische Wirtschaft gelobt, weil der Motorradhersteller in den USA produziert und damit Arbeitsplätze sichert. Kurz danach gab Harley-Davidson bekannt, ein Werk in Thailand zu bauen. Auch ein Harley-Davidson-Werk im australischen Adelaide (hier werden Räder und Radnaben produziert) bekommt die Sparmaßnahmen zu spüren – es wird nächstes Jahr geschlossen. Die Produktionskosten in Thailand sind nun mal erheblich niedriger.

Die in Kansas City gefertigten Baureihen V-Rod und Dyna wurden bereits eingestellt, die noch dort verbliebenen Modelle der Softail-, Sportster- und Street-Baureihe sollen nun auch im Werk in York, Pennsylvania, gefertigt werden. Harley-Davidson hat angekündigt, dort 450 neue Jobs zu schaffen. Unter dem Strich gehen trotzdem 350 Jobs verloren und nur wenige Mitarbeiter aus Kansas City werden 1500 Kilometer weit nach York umziehen. In York, wo die Touring-, CVO- (Custom Vehicles Operations) und Trike-Modelle gebaut werden, sind zurzeit 930 Mitarbeiter beschäftigt. Doch auch in York hat man schon längst den scharfen Wind des Wettbewerbs gespürt, denn im Jahr 2009 standen hier noch 2000 Mitarbeiter in Lohn und Brot.

Hohe Preise

Die Absatzprobleme begründen sich nicht zuletzt auch durch die hohen Preise, die Harley-Davidson für seine Modelle verlangt, dabei sind sie technisch antiquiert, Harley-Davidson hält seit 1909 am Prinzip des luftgekühlten V2 mit einer unten liegenden Nockenwelle und Stoßstangen-Betätigung der Ventile fest. Außerdem klebt an den Harleys immer noch der alte Ruf der Unzuverlässigkeit, obwohl die Marke sich diesbezüglich in den letzten Jahren wesentlich gebessert hat.