Speichersystem auf DNA-Basis

Dass DNA massenhaft Informationen aufnehmen kann, ist offensichtlich – schließlich steckt darin zum Beispiel der Bauplan für Menschen. Forscher haben jetzt ein Konzept für einen Daten-Speicher auf dieser Basis entwickelt.

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Die Menschheit produziert heutzutage Informationen in einem beispiellosem Tempo – ungefähr 16 Zettabyte (ein Zettabyte entspricht einer Milliarde Terabyte) pro Jahr. Und es werden immer mehr: Wie die Marktforschungsfirma IDC im vergangenen Jahr prognostizierte, werden wir bis 2025 auf 160 Zettabyte pro Jahr kommen.

All diese Daten müssen gespeichert werden, was bedeutet, dass viel dichtere Medien dafür benötigt werden als heute. Eine interessante Lösung dafür ist die Nutzung der molekularen Struktur von DNA. Forscher wissen seit langem, dass sie sich für die Datenspeicherung einsetzen ließe. Immerhin enthält sie ja den Bauplan für Menschen und übergibt ihn von einer Generation an die nächste.

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Besonders beeindruckend finden Informatiker die Dichte der in der DNA gespeicherten Daten: Ein einziges Gramm davon kann ungefähr ein Zettabyte aufnehmen. Allerdings hat noch niemand ein realistisches System für die Speicherung von Daten in einer DNA-Bibliothek und den anschließenden Abruf daraus entwickelt.

Mit der Arbeit von Federico Tavella an der Universität Padua in Italien und Kollegen könnte sich das ändern: Die Forscher haben ein solches Verfahren auf der Basis von Bakterien-Nanonetzwerken entworfen und getestet. Das Prinzip ist einfach. Bakterien tragen häufig genetische Informationen in Form von winzigen geschlossenen Ringen aus zweisträngiger DNA, genannt Plasmide, in sich. Diese Moleküle sind wichtig, weil sie der Trägerzelle oft einen Vorteil verschaffen, beispielsweise Resistenz gegen Antibiotika.

Ebenfalls wichtig ist, dass Bakterien Plasmide von einer Zelle an eine andere weitergeben können, was als Konjugation bezeichnet wird. Auf diese Weise können Bakterien genetische Informationen austauschen – ein Prozess, bei dem in der Natur ein fantastisch komplexes Nanonetzwerk entsteht.

Dies ist die Basis für das neue Verfahren. Tavella und Kollegen nutzten das Nanonetzwerk, um Informationen zu übertragen, die zuvor gentechnisch in die Plasmide eingefügt wurden.

Die Idee dabei ist, Daten in Plasmiden innerhalb von Bakterien-Zellen zu speichern, die an einem bestimmten Ort gefangen sind. Zum Abruf dieser Informationen schickten die Forscher dann motile Bakterien an diesen Ort, wo sie mit den gefangenen Bakterien konjugierten und die Plasmide mit den Daten aufnahmen. Zuletzt brachten die motilen Bakterien die Informationen zu einer Lese-Vorrichtung, in der die Plasmide extrahiert und die enthaltenen Daten ausgelesen werden.

In ihrem Experiment haben Tavella und seine Kollegen die Machbarkeit dieses Konzepts mit Hilfe von zwei unterschiedlichen, gegen mehrere Antibiotika resistenten Strängen von E. coli – HB101 und Novablue – überprüft. HB101 ist resistent gegen Streptomycin, Novablue über die Plasmide gegen Tetracyclin. Durch die Übertragung bei der Konjugation kann Novablue seine Resistenz an HB101 weitergeben.

Darüber konnte das Team steuern, wo die Bakterien wachsen können. Novablue überlebt dort, wo Tetracyclin vorhanden ist, HB101 jedoch nicht – wenn es nicht zuvor eine Konjugation mit Novablue gegeben hat, die auch diesen Strang dagegen resistent macht.

Damit besteht der Speicher-Prototyp aus einem Datenspeicher-Bereich, einem Daten-Leser und einem Kanal zum Datentransfer, der beides verbindet. Zum Speichern codierten die Forscher eine einfache Nachricht in die gegen Tetracyclin resistenten Plasmide in den Novablue-Bakterien – traditionsgemäß lautete der Inhalt "Hello World". Außerdem versahen sie die Plasmide mit einem fluoreszierenden Stoff, um die Bewegungen beobachten zu können. Zunächst wurden die Novablue-Bakterien in den Datenspeicher-Bereich platziert, aus dem sie nicht entkommen können. In der Praxis handelt es sich dabei um eine ebene Oberfläche, die sich nicht für Bakterien-Motilität eignet. Zusätzlich wird um den Bereich herum Streptomycin aufgebracht, das Novablue abtötet.

Der Datentransfer-Kanal verläuft von einer Quelle aus HB101-Bakterien über den Speicher-Bereich zum Daten-Leser. Er besteht aus weichem Agar, das Bakterien-Motilität ermöglicht. Und weil HB101 resistent gegen Streptomycin ist, kann es sich relativ leicht durch den Kanal bewegen. Der Bereich zwischen dem Speicher-Bereich und dem Leser dagegen ist voller Tetracyclin und auch Streptomycin. Dadurch werden beide Bakterien daran gehindert, ihn zu benutzen.

Entscheidend ist, was dann passiert. Die HB101-Bakterien wandern zum Datenspeicher-Bereich, konjugieren mit den Novablue-Bakterien und nehmen die Plasmide mit den Daten auf. Gleichzeitig aber werden sie dadurch resistent gegen Tetracyclin. Das bedeutet: Wenn sie die Daten aufgenommen haben, können sie durch den Kanal hindurch weiter zur Lese-Vorrichtung wandern. Anschließend extrahierten die Forscher die Plasmide und konnten die Daten auslesen – "Hello World". Dank der Fluoreszenz konnten sie sogar zusehen, wie die Informationen durch das Netzwerk fließen.

Besonders schnell ist das Verfahren nicht: Die HB101-Bakterien brauchen ungefähr 72 Stunden, um durch den Kanal zu wandern. Doch das Experiment zeigt, wie ein DNA-Datenarchiv prinzipiell funktionieren könnte. Allerdings ist dafür noch ein weiterer Aspekt wichtig: In einem solchen System gibt es viele unterschiedliche Speicher-Orte, und jeder davon muss gezielt adressierbar sein. Mit anderen Worten: Es muss eine Möglichkeit geben, wie die Datentransfer-Bakterien die einzelnen Stellen finden können.

Auch dafür haben Cavella und Kollegen eine Antwort: ein molekulares Navigationssystem, das Ähnlichkeit mit dem Global Positionierung System GPS hat. Es basiert auf so genannten Beacons, die jeweils eine Chemikalie freisetzen; Bakterien lassen sich dann so manipulieren, dass sie diesen chemischen Spuren folgen. Mit drei unterschiedlichen chemischen Spuren wird es dadurch möglich, die Position im Raum durch Triangulation zu bestimmen. In Simulationen, so die Forscher, funktioniert dieser Prozess gut. Im Labor aber muss er erst noch ausprobiert werden.

Trotzdem ist die Arbeit ein interessanter Schritt in die Richtung von praxisgerechter Daten-Speicherung mittels DNA. "Unsere Lösung zeigt, dass sich digital codierte Informationen in nicht motilen Bakterien speichern lassen, die eine Archiv-Architektur aus Knoten bilden; anschließend können die Informationen durch manipulierte motile Bakterien abgerufen werden", schreiben Tavella und Co.

Natürlich bleiben noch viele Herausforderungen. Das molekulare Navigationssystem ist interessant, muss aber noch im Labor auf Flexibilität und praktischen Nutzen getestet werden. Und auch die Daten-Raten müssen noch drastisch zunehmen. Die Geschwindigkeit der Bakterien-Fortbewegung wird sich nicht steigern lassen. Möglicherweise aber hilft es, die Menge der in jedem Plasmid gespeicherten Daten zu erhöhen. Die Technik ist spannend, aber sie steckt noch in den Kinderschuhen.

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