Ghostdater flirten und fädeln Dates für Partnersuchende ein

Noch kein Date für den Valentinstag und keine Zeit zum virtuellen Flirten im Netz? Ghostdating-Agenturen suchen einen Partner und chatten auch gleich mit ihm – gegen Bezahlung.

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Ghostdater flirten und fädeln Dates für Partnersuchende ein

(Bild: Pixabay / CC0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christine Frischke
  • dpa
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Über das Internet hat Peter vor kurzem eine Frau kennengelernt. Sie haben gechattet, fanden sich sympathisch, tauschten Nummern aus. Es funkte. Bald wollen sie ein Wochenende miteinander verbringen. Was die Dame seines Herzens nicht ahnt: Die netten Zeilen, mit denen er sie anfangs um den Finger wickelte, hat er gar nicht selbst verfasst. Sie hat mit einem Ghostwriter geflirtet.

In den USA sind solche Dienste schon länger bekannt. Professionelle Flirt-Agenten, so genannte Ghostdater, erstellen für ihre Kunden Profile auf Singlebörsen, helfen bei der Auswahl passender Fotos und übernehmen die virtuelle Partnersuche – samt zeitraubender Mail-Korrespondenz. Das Date mit der Traumfrau oder dem Traummann servieren sie auf dem Silbertablett.

Auch Peter hörte erstmals bei einer USA-Reise von der Idee. Weil der Geschäftsmann aus der Nähe von Karlsruhe Angst um sein Geheimnis hat, will er nicht, dass sein richtiger Name hier auftaucht. Peter ist über 40 und da es bislang mit der Liebe nicht geklappt hatte, meldete er sich im vergangenen Sommer bei einer Online-Partnerbörse an.

"Online Dating verspricht eine bisher ungekannte Effektivierung der Partnersuche", schreibt der Frankfurter Soziologe Kai Dröge auf seinem Forschungsblog romanticentrepreneur.net. Nie sei es so leicht gewesen, an detaillierte Informationen über Hunderttausende oder gar Millionen von beziehungswilligen Singles zu gelangen. Laut einer aktuellen Umfrage des IT-Verbandes Bitkom suchen bereits drei von zehn Menschen in Deutschland ihr Liebesglück im Netz. Viele lassen sich das etwas kosten. Im Schnitt geben Nutzer von Dating-Diensten rund 38 Euro im Monat aus.

Peter verbrachte Stunden damit, Profile durchzuklicken und Nachrichten zu tippen. Zurück schrieb kaum eine der Frauen. "Als normaler Typ, der nicht aussieht wie Brad Pitt oder super schreiben kann, geht man in der Masse unter." Er verlor bald die Lust, jeden Feierabend für die Partnersuche zu opfern – also lagerte er sie aus. Er beauftragte die Agentur Weedate, das Chatten für ihn zu übernehmen und hatte plötzlich Erfolg. Ein schlechtes Gewissen plagt ihn nicht. "Für mich beginnt das Kennenlernen erst mit dem richtigen Treffen."

Gegründet wurde Weedate 2014 von Markus Dobler. Der Dating-Coach aus Ingolstadt ist eigentlich Beamter. "Ich hatte immer Erfolg mit meinen eigenen Online-Dates und weil ich Spaß daran habe, fing ich an, anderen zu helfen." Vor allem Männer bitten Dobler darum, Amor auf die Sprünge zu helfen. Darunter sind Geschäftsleute mit wenig Zeit wie Peter. Doch in der Mehrzahl sind es Singles, die sich schlicht nicht mehr anders zu helfen wissen oder zum allerersten Mal online auf Partnersuche gehen. Fast ausschließlich sind sie an einer festen Beziehung interessiert. "Ich suche die Frau zum Heiraten", sagt Peter.

Zunächst bringt Dobler die Single-Profile auf Vordermann und schickt die meisten Männer erst mal zum Fotografen. "Selfies vor dem Badezimmerspiegel oder der unaufgeräumten Küche gehen gar nicht." Im Namen seiner Kunden schreibt er deren Favoritinnen an. Sein Erfolgsgeheimnis klingt simpel: "Ich hebe mich mit humorvollen Mails von der Masse ab und gehe individuell auf das Profil der Frau ein." Um Frauen das Antworten zu erleichtern, formuliert er mindestens drei Fragen. So schnell wie möglich lenkt er den Nachrichtenwechsel dann auf ein konkretes Date.

Dabei besteht nicht nur beim Ghostdating die Gefahr, dass die Online-Liebe eher für die Nachrichten, als für das echte Date schwärmt. "Wir verlieben uns nicht in den Schreiber, sondern in eine Phantasiegestalt, die wir zu den Worten erfinden", sagt der Stuttgarter Philosophie-Professor Philipp Hübl. "Deshalb ist die Enttäuschung oft groß, wenn man das Online-Date zum ersten Mal analog trifft und er oder sie dem Ideal nicht entspricht."

Die Agentur Suredate bei München war die erste, die in Deutschland verzweifelten Singles half, "die Nadel im Heuhaufen zu suchen", wie es Gründer Andreas Laufer beschreibt. Er beschäftigte seit 2011 nach eigenen Angaben mehr als 15 Ghostwriter. Inzwischen kamen weitere Anbieter wie Weedate oder Die Herzschreiber aus Hamburg dazu.

"Den meisten Kunden fällt es schwer, sich selbst anzupreisen, viele sehen die Besonderheiten an sich selbst gar nicht und vertrauen für die Profilerstellung auf den professionellen Blick von außen", sagt Herzschreiber-Geschäftsführerin Bettina Dahlhaus. Weil Ghost-Dating inzwischen an Bekanntheit zugelegt habe, sei die Nachfrage im vergangenen Jahr rasant gestiegen.

Billig sind die Dienste nicht. Bei Weedate zahlen Singles 399 Euro für das Basis-Paket mit zwei garantierten Dates. Bei Suredate sind drei Verabredungen für 690 Euro zu haben, die Herzschreiber bieten ihren Service im Abo ab 29,90 Euro im Monat an. Dazu kommen noch die Kosten für die Nutzung der Dating-Portale.

Meist wird den Kunden abgeraten, der neuen Liebe später vom Ghostwriter zu erzählen. Selbst Philosoph Hübl hält es für besser, das heikle Thema zu verschweigen. Denn: "Menschen tendieren in der Rückschau dazu, Ereignisse zu idealisieren", sagt er. "Wenn beide aufrichtig verliebt sind, sollte die Phase davor egal sein." (olb)