Smart Lighting: Licht wird digital

Licht soll Räume hell machen - das war einmal. Heute hat Licht neue Aufgaben: Es soll das Wohlbefinden steigern und in smarten Gebäuden Personen lotsen oder warnen und sogar Daten übertragen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bernd Müller

Die Lichtbranche ist im Umbruch. Der Umstieg von Glüh-, Halogen-, Leuchtstoffbirnen oder -röhren zur Halbleitertechnik in Leuchtdioden ist seit Jahren in vollem Gange. Heute gibt es keinen vernünftigen Grund mehr, andere Leuchtmittel einzusetzen. Leuchtmittel mit LEDs gibt es in allen Bauformen, Leistungsstufen und Farbtemperaturen bei gleichzeitig rund 80 Prozent Energieeinsparung. LEDs sind die Grundlage für eine weitere Revolution: Licht wird digital. Das gilt natürlich nicht für die Erzeugung an sich, die findet nach wie vor analog statt, mittels physikalischer Prozesse in Halbleitern. Doch alles andere, die Ansteuerung, Vernetzung und Individualisierung geschieht digital.

Das hinterlässt Spuren im Markt. Lichtriese Osram, der seit 1906 Glühlampen mit Glühfäden aus Osmium und Wolfram (daher der Firmenname) herstellte, hat sich 2017 von seinem Lampengeschäft der Allgemeinbeleuchtung getrennt und setzt seither auf das Halbleitergeschäft und Spezialbeleuchtung mit der Digitalisierung als Oberthema - sogar das Glühlampenlogo des Unternehmens fiel der Umstrukturierung zum Opfer. "Die Digitalisierung ändert die Geschäftsmodelle völlig", sagt Thorsten Müller, Leiter Innovation bei Osram.

Beispiel Büro: Dort kämpfen die Architekten und die Hersteller von Leuchten um jedes Prozent Energieeffizienz, um Energiekosten zu drücken und den CO2-Fußabdruck des Unternehmens zu schrumpfen und das durchaus mit Erfolg. Eine Studie von CBRE in den Niederlanden kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass zehn Prozent Energieeinsparung bei der Beleuchtung pro Quadratmeter Bürofläche und Jahr nur etwa drei Euro einspart. 30 Euro würde man dagegen einsparen, wenn man die vorhandenen Flächen optimal auslasten würden. Und gar 300 Euro pro Quadratmeter und Jahr spart ein Unternehmen, wenn es die Produktivität seiner Mitarbeiter um zehn Prozent erhöht.

Licht - wenn es intelligent eingesetzt wird - bietet also über die reinen Stromkosten hinaus weitere riesige Effizienzpotenziale. Diese lassen sich aber nur durch Digitalisierung erschließen. Infrarotscanner über jedem Schreibtisch erkennen, ob der Arbeitsplatz genutzt wird. Weil sich die Leuchten darüber einzeln ansteuern lassen, wird das Licht bei Nichtbenutzung automatisch ausgeschaltet. Doch es geht wie gesagt nicht nur um Energieeinsparung, in der Anwesenheitserkennung stecken weitere Infos. Warum wird ein bestimmter Arbeitsplatz viel seltener genutzt als andere? Vielleicht zieht es dort oder es ist zu laut - ein Anlass, um Gegenmaßnahmen einzuleiten.

In Unternehmen ohne feste Arbeitsplätze oder in den immer beliebteren Co-Working-Spaces ist die Anwesenheitserkennung außerdem Voraussetzung für ein Raumbuchungssystem. Der Mitarbeiter checkt morgens mit seinem Smartphone ein und wird zum freien Schreibtisch gelotst. Dazu stecken in den Leuchten Bluetooth-Sender, die mit dem Smartphone kommunizieren und eine Innenraumnavigation ermöglichen. Fällt ein Meeting in einem Besprechungsraum aus, erkennt dies der Anwesenheitssensor und gibt nicht benutzte Räume im Buchungssystem automatisch nach 15 Minuten frei. Läuft das Raumbuchungssystem optimal, lassen sich alle Arbeitsplätze belegen und es kommt zu der oben erwähnten Einsparung.

Was aber ist nötig, um die verlockenden 300 Euro pro Quadratmeter und Jahr in Folge höherer Produktivität zu erzielen? Hier kommt die biologische Wirkung von Licht ins Spiel. Und das neue Hypekürzel HCL, was so viel wie Human Centric Lighting bedeutet. Leuchten sollen nicht nur hell machen, sondern für Wohlbefinden sorgen. Mit LED-Leuchten geht dies leicht, in dem sich die Lichtfarbe dem natürlichen Tageslicht anpasst. Mittags, wenn die Sonne hoch steht, ist das Licht auch im Büro bläulich-kühler, abends ist das Licht dagegen rötlich-wärmer. Die Farbtemperatur moderner LED-Leuchtmittel lässt sich über einen weiten Bereich zwischen 2700 Kelvin (rötlich) und 8000 Kelvin (bläulich) einstellen.

Zur Interessenskollision zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt es morgens. Wenn wir uns aus dem Bett quälen, mögen unsere Augen eigentlich warmes gedämpftes Licht. Studien zeigen allerdings, dass bläuliches Licht wachmacht und die Leistungskurve schnell ansteigen lässt. Entsprechend ist das Licht morgens im Büro kaltweiß temperiert, was etwa Dreiviertel der Teilnehmer einer Studie der Universität Twente gut finden. Ein Viertel aber nicht. Licht wird individuell empfunden, der Leistungskick mit blauem Licht darf folglich nicht aufgezwungen werden. Dank LED-Technik und Steuerung per App, oder sogar automatisch bei Annährung, lässt sich Licht heute aber individuell färben. Osram-Chefinnovator Thorsten Müller warnt dabei vor Regelungswahn, einem typischen Fehler, der vor allem bei Jalousien häufig gemacht wird. Die fahren beim ersten Sonnenstrahl automatisch herunter, man muss dann zum Schalter laufen und den Rückwärtsgang einlegen, um nicht im Dunkeln zu sitzen. "Bei HCL sagt der Mensch, wie er sich wohlfühlt, und nicht eine Software", so Müller.

Dennoch wird es immer mehr Anwendungen geben, die sich im Alltag unmerklich um unser Wohlbefinden kümmern. Denkbar wäre hier ein Fitnessarmband, das nicht nur Bewegungen misst, sondern auch den Lichteinfall. Ist er über den Tag zu schwach, regelt die Steuerung das Licht am Arbeitsplatz etwas höher, um Folgen wie Müdigkeit oder Vitamin-D-Mangel vorzubeugen. Noch ist in solchen Anwendungen das Smartphone Dreh- und Angelpunkt der Steuerung. "Aber langfristig wollen wir das Smartphone loswerden, alles soll automatisch ablaufen", sagt Müller.

Das gleiche Konzept verfolgt Smart-Home-Pionier Digitalstrom. Dort sorgt die Wohnung automatisch für das richtige Lichtambiente in typischen Szenarien - gedämpftes Licht beim Fernsehabend, strahlendes Aufwachlicht am Morgen im Badezimmer. Die Programmierung und Steuerung übernehmen dabei zunehmend Bots, die mit einer gewissen Intelligenz ausgestattet die Wünsche der Nutzer erkennen und umsetzen.

Digitalstrom zeigt auch, dass Licht mehr kann als nur Räume hell machen. Muss man nachts auf die Toilette, schaltet sich automatisch ein gedimmter Leuchtstreifen ein, damit man nicht irgendwo anstößt, ist die Waschmaschine im Keller fertig, blinkt das Licht in der Küche, und klingelt jemand an der Tür, geht das Licht im Flur an. Ähnliche Lösungen, von einfach wie Licht an/aus bis zu komplexen Szenarien gibt es von allen Anbietern von Smart-Home-Produkten wie RWE, Qivicon, Loxone, Bosch, Innogy und vielen mehr.

Digitalisierungskonzepte wie diese mit Licht finden auch in der Industrie zunehmend Anwendungen. Wie bei ungenutzten Schreibtischen im Büro kann Licht im Lager dort abgeschaltet werden, wo nur selten ein Gabelstapler vorbeikommt. Auch dort ist die Energieersparnis wieder nur der erste Schritt. Interessanter ist zu wissen, warum dieser Teil des Lagers so selten genutzt wird. So lassen sich Wege und Lagerkapazitäten optimieren. Und fahren zwei Gabelstapler auf eine Kreuzung zu, erkennt die Innenraumnavigation die drohende Kollision und schaltet die weiße Deckenbeleuchtung auf rotes Blinklicht um. Ocean Spray, ein US-Hersteller von Cranberry-Produkten, nutzt die adaptive Warnbeleuchtung, um Wartungstrupps in der Fabrik zu lotsen beziehungsweise von Hygienebereichen fernzuhalten, wo gerade produziert wird. Bisher wurde dafür eigens ein Mitarbeiter abgestellt.

Es geht aber noch digitaler: Licht selbst kann digitale Informationen übermitteln. Infrarotfernbedienungen am TV-Gerät funktionieren so, übermitteln aber nur geringe Datenmengen. Früher hatten Handys ebenfalls Infrarot-Transmitter, die aber den viel leistungsfähigeren Funkstandards wie Bluetooth und WLAN weichen mussten. Wo der Nachteil, dass zwischen Sender und Empfänger eine Sichtverbindung bestehen muss, kein Problem ist, könnte die Datenübertragung mittels Licht wieder interessant werden. Das ist zum Beispiel in Krankenhäusern oder in Flugzeugen der Fall, wo man den Feldsalat aus Funksendern vermeiden möchte. Dort lassen sich LED-Leuchten mit einem Datenmodul nachrüsten, so dass die Leuchten neben dem weißen Licht auch Infrarotsignale aussenden. In Besprechungszimmern hätte das Konzept den Vorteil, dass sich Informationen nicht abhören lassen, wenn man Filterfolien an die Scheiben klebt. Natürlich müssen die Endgeräte diese Signale verarbeiten können. Teilweise reicht schon eine Smartphonekamera oder man baut wie früher bei Handys für wenige Cents eine Infrarotdiode ein. Der Lohn wären enorme Datenraten: Die schnellsten Infrarot-Datenverbindungen schaffen bis zu 10 Gigabit pro Sekunde und damit ein Vielfaches von WLAN.

(bsc)