Analyse zu Chromes Werbefilter: Der Bisschen-Blocker

Zum Anfang wird Googles neuer Werbefilter kaum Werbung blockieren. Das ist auch gar nicht seine Aufgabe – er soll vielmehr helfen, den Markt für Online-Werbung aus einer Sackgasse zu holen. Eine Analyse von Torsten Kleinz.

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Chromes Werbefilter: Der Bisschen-Blocker

Chromes Adblocker filtert nicht jede Anzeige – soll er auch gar nicht.

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Der Berg kreißte – und gebar eine Maus. Ein Jahr lang hat Google den Start des Chrome Ad Filters vorbereitet. Doch wenn der Weltkonzern am heutigen Donnerstag seinen ureigenen Werbeblocker für Hunderte Millionen Nutzer in den USA und Europa freischaltet, werden die meisten wohl gar nicht erfahren, dass er überhaupt existiert.

Wie Google in der vergangenen Woche mitteilte, hat der Konzern auf unter einem Prozent der überprüften Websites unzulässige Werbung entdeckt, die die Aufnahme in die Blockliste des Chrome Ad Filters rechtfertige. Da Google ohnehin nur etwas mehr als 100.000 Websites überprüft hat, wären das insgesamt gerade einmal 1000 Websites – ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dass darunter allzu viele prominente Beispiele zu finden sind, ist nicht zu erwarten: Zu lange hat Google seine Geschäftspartner vorgewarnt, zu groß ist die Marktmacht des Desktop- und Mobil-Browsers.

Was bringt also ein Adblocker, der kaum Werbung blockt? Google hat die Dynamik der Werbeblocker umgedreht. Während ein klassischer Adblocker danach strebt, möglichst jede Werbung zu unterdrücken, ist der Idealzustand des Chrome Ad Filters, dass er gar nichts blocken muss, weil die Werbetreibenden selbst eingesehen haben, dass zu aufdringliche Werbung insgesamt nur Schaden anrichtet.

Am Mittwoch verkündete Google im Chromium-Blog einen ersten Erfolg: 42 Prozent der Betreiber von Websites, bei denen vorab unzulässige Werbeformen bemängelt wurden, haben ihre Angebote inzwischen an den Standard angepasst. Kein Wunder: Google hat ihnen genug Spielraum gelassen, die neuen Verbote ohne allzu große Verluste zu umgehen. So kann Axel Springer als einziger deutscher Verlag in der Coalition for Better Ads auf seinem Portal Welt.de weiterhin Autoplay-Werbung in seinen Artikeln deponieren.

Grund: Der Verlag hat unter diesen Videos einen Abschaltknopf eingebaut. "Wird diese Funktion genutzt, merkt Welt.de sich das und Autoplay bleibt bei zukünftigen Besuchen der Seite deaktiviert", erklärt Carsten Schwecke von der Springer-Vermarktungstochter Media Impact. "Damit entsprechen wir den Anforderungen der Coalition for Better Ads", betont Schwecke. Auch Autoplay-Werbung ohne Ton ist weiter erlaubt oder Pre-Roll-Werbung, die vor redaktionellen Videos eingespielt wird. Die Hürden, um auf Googles Sperrliste zu landen, sind zum Start sehr hoch.

Google wagt einen enormen Spagat: Denn die Anforderungen, die Nutzer an einen herkömmlichen Adblocker stellen, sind himmelweit von den Zugeständnissen entfernt, die die werbetreibende Industrie und die Plattformbetreiber freiwillig machen wollen.

Dem Konzern bleibt zunächst nichts anderes übrig, als den Website-Betreibern weit entgegenzukommen. Google steht insbesondere mit seinem Werbegeschäft unter der verschärften Beobachtung von Wettbewerbshütern und Marktregulatoren auf der ganzen Welt. Würde er seine Marktmacht zum Nachteil der Geschäftspartner und Konkurrenten ausspielen, wäre die nächste Milliardenstrafe gewiss.

So scheiterten die Klagen gegen den Platzhirschen Adblock Plus bisher daran, dass die Richter in dem deutschen Hersteller keinen ebenbürtigen Wettbewerber oder gar ein marktbeherrschendes Unternehmen sahen. Bei Google hingegen stellt sich diese Frage erst gar nicht. Mit seiner Dominanz sowohl im Werbe- als auch im Browser-Markt sind die Hürden für Markteingriffe durch Google ebenfalls sehr hoch.