Robo-Philosophy: Psychoanalyse des Roboters und wieviele Androiden wollen wir?

In Wien wird aktuell über philosophische Fragen angesichts immer menschenähnlicher Roboter diskutiert: Experten fragen sich etwa, was Sigmund Freud zu Robotern gesagt hätte und ob wir uns auf roboterfreie Zonen einigen sollten.

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Robo-Philosophy: Psychoanalyse des Roboters und wieviele Androiden wollen wir?

(Bild: heise online/Hans-Arthur Marsiske)

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Nur wenige Schritte von der Universität Wien, wo sich gegenwärtig die Konferenz Robo-Philosophy versammelt, befindet sich die Berggasse, wo in Hausnummer 19 einst Sigmund Freud lebte und praktizierte. Ob die von ihm entwickelte Psychoanalyse durch das Zusammenwachsen von Menschen und Robotern überflüssig werde, war eine Frage, die Alfie Brown (Hang Seng Management College, Hongkong) diskutierte – und verneinte. Allerdings sei das ursprüngliche Modell von Subjektivität nicht mehr tragfähig und müsse durch neue Ansätze erweitert werden. Hierfür schlug er den Begriff der Interpassivität vor, der in den 1990er-Jahren zunächst als ironischer Gegenentwurf zur Interaktivität formuliert und bald darauf von der Psychoanalyse aufgegriffen wurde, um eine Verschiebung des Genießens auf Andere zu beschreiben.

Interpassivität ist nicht nur ein individuelles Phänomen, sondern hat auch eine kulturelle Dimension, etwa in Gestalt von Kochshows im Fernsehen. Auch soziale Medien, so Brown, seien "fundamental interpassiv". Interpassivität bedrohe die Unterscheidung von Arbeit und Freizeit. Genuss und Vergnügen bedeuteten nicht mehr, den kapitalistischen Verwertungszwängen zu entkommen. In diese komplexen Zusammenhänge fügten sich auch die Beziehungen zwischen Menschen und Robotern ein. Eine modernisierte Psychoanalyse könne daher helfen, sie sichtbar zu machen, besser zu verstehen und den Einfluss der großen Unternehmen auf die entstehende Robotergesellschaft zu schwächen.

Dafür dürfte sich auch Hiroshi Ishiguro (Osaka University) interessieren. Der für seine menschenähnlichen Roboter berühmte Forscher zeigte während seines Grundsatzvortrags eine komplexe Grafik, die seinen Ansatz zur Modellierung von Absichten und Verlangen ("intentions and desires") in Robotern illustrierte. Darin fand sich auch ein Bereich "Unbewusstes" – eine der grundlegenden Entdeckungen Sigmund Freuds. Leider ging Ishiguro nicht näher darauf ein, wie er das Unbewusste bei Robotern hervorbringen will, nannte aber ein Bewusstsein und die Fähigkeit zu sozialen Beziehungen als wichtige Meilensteine auf dem Weg zu Robotern als menschlichen Gefährten der Zukunft. Interaktion sei ein neues Gebiet in der Robotikforschung, die sich bislang auf Navigation und Manipulation konzentriert habe. Es werde aber erwartet, dass der Marktanteil für interaktive Roboter bis zum Jahr 2035 größer sein werde als für reine Manipulatoren.

Mehr Infos

Siehe dazu auch:

  • Mensch-Maschine: Maschinelle Intelligenz, menschliche Maschinen und Arbeit in einer digitalen Gesellschaft, c't 4/2018

Wie beiläufig streute Ishiguro in seinem Vortrag immer wieder grundlegende Fragen ein. Zu einem Bild des Androiden Geminoid, der eine Kopie seiner selbst darstellt, warf er die Frage nach der Identität dieses Roboters auf. Androiden, die nach verstorbenen Personen modelliert werden, böten vielfältige Möglichkeiten, das vorhandene Wissen über sie zu integrieren. Als Beispiel zeigte Ishiguro einen Roboter, der nach dem Vorbild eines berühmten japanischen Schriftstellers gestaltet war, und fragte: Was ist menschlich? Was bedeutet menschliche Präsenz? Ein weiblicher Android, der aus einem Schaufenster heraus Passanten zulächelte und fast immer ein Lächeln zurück bekam, brachte ihn auf die Frage, was Schönheit ausmache. Sind Androiden schöner als Menschen?

Wie viele andere Robotikforscher interessiert sich Ishiguro für die Wechselwirkung zwischen Ingenieurwissenschaft und Neurowissenschaft: Die genaue Betrachtung des Menschen bringt Anregungen für die Konstruktion von Robotern. Deren Bau wiederum hilft, den Menschen besser zu verstehen – und der Frage auf den Grund zu gehen, die Ishiguro an das Ende seines Vortrags stellte: Was ist Leben?

Während darauf vorerst niemand eine Antwort hat, scheint bei der Konferenz Einigkeit darüber zu bestehen, dass Robotik und künstliche Intelligenz massiv ins Leben der Menschen eingreifen werden. Viele Vorschläge werden formuliert, um diese Eingriffe zu steuern und zu verhindern, dass die globale Gesellschaft weiter gespalten wird, Diskriminierungen durch Algorithmen neu erschaffen werden oder automatische Gesichtserkennungen rassistische Muster übernehmen. David Gunkel (Northern Illinois University) empfahl Robotersteuern, um die politische Einflussnahme gegenüber den Marktkräften zu stärken und verwies auf die Initiative Open AI, die eine offene und transparente Entwicklung allgemeiner künstlicher Intelligenz fördert.

Oliver Bendel (Fachhochschule Nordwestschweiz) forderte die Einführung von Roboterquoten in der Öffentlichkeit sowie Bereiche, die ganz frei von Robotern bleiben sollten. Transportroboter in Städten, so Bendel, seien generell sehr problematisch. Für den Einsatz von Robotern in der Pflege hat er eine Patientenverfügung entwickelt, in der ein solcher Einsatz vorab ausgeschlossen oder nur mit Einschränkungen zugelassen werden kann. Er selbst wolle, wenn er dement werden sollte, nicht mit der Roboterrobbe Paro beruhigt werden. "Das Bild von mir, wie ich lächelnd diesen Roboter auf dem Arm halte, gefällt mir nicht", sagte er. "Ich würde eine Katze bevorzugen, eine echte, lebende."

Eine Frage, gestellt von der Robo-Philosophy-Initiatorin Johanna Seibt (Universität Aarhus) im Anschluss an Bendels Vortrag, blieb vorerst unbeantwortet: Warum brauchen wir überhaupt Roboter? Dies müsse immer die erste Frage sein, forderte Seibt. Vielleicht findet sich bis zum letzten Konferenztag am Samstag ja noch eine Antwort. (mho)