Teilentscheidung: Einbetten eines Tweets kann Copyright verletzen

Wer einen Tweet mit Foto in seine Webseite einbindet, soll für Copyright-Verletzungen des Tweetenden haften können. Das hat eine US-Richterin entschieden. Der Rechtsstreit ist aber noch lange nicht zu Ende.

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Blaues Schild "Is copyright a little fuzzy?" mit unscharfem Copyright-Symbol

Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich.

(Bild: Elias Bizannes CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Eine Teilurteil über das Einbetten von Tweets in Webseiten sorgt in den USA für Verunsicherung: Demnach kann man das Exklusivrecht eines Urhebers auf öffentliche Wiedergabe seines Werks auch verletzen, ohne das entsprechende Werkstück zu besitzen. Das Urteil macht unter anderem Re-Tweets juristisch riskant. Es steht allerdings im Widerspruch zu Entscheidungen an der Westküste der USA und ist nicht rechtskräftig.

Sollte es jedoch rechtskräftig werden, würde es für US-Webmaster riskant werden, Inhalte aus anderen Quellen in ihre eigenen Seiten einzubetten – selbst wenn das völlig vertragskonform erfolgt und der eigentliche Hoster für die Rechtmäßigkeit garantiert. Zudem kämen Suchmaschinen wie Googles Bildersuche erneut in Gefahr.

Der Amerikaner Justin Goldman hatte ein von ihm selbst geschossenes Foto auf Snapchat mit bis zu 90 Personen geteilt. Jemand aus dieser Gruppe verbreitete das Lichtbild weiter, so dass es beim Bilderhoster Imgur eingestellt wurde. In der Folge betteten mehrere Twitter-User das Bild in ihre Tweets ein. Schließlich verbreiteten mehrere US-Medien, darunter Time und der Boston Globe, diese Tweets samt Foto über ihre Webseiten.

Dabei kopierten sie weder die Tweets noch die Bilddatei, sondern nutzten die von Twitter bereitgestellte "Embed"-Funktion. Dabei werden Browser beim Aufruf der Webseite angewiesen, auch den Tweet abzurufen und in der Webseite darzustellen. Tweet und Bild kommen nicht vom Server des Webseitenbetreibers sondern direkt von Twitter. Auch heise online nutzt dieses Twitter-Service bisweilen, was dann so aussieht:

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Der Fotograf verklagte dennoch neun US-Medien wegen Copyright-Verletzung. Von juristischen Maßnahmen gegen jene Person, die das Bild bei Imgur eingestellt hat, oder gegen die Twitter-User, die das Bild getweetet haben, ist nichts bekannt. Die Beklagten Unternehmen verteidigten sich unter anderem damit, das Foto nie wiedergegeben zu haben, da ja die Besucher der jeweiligen Webseite es direkt von Twitter abgerufen haben.

Dazu verwiesen die Beklagten auf die Leitentscheidung Perfect 10 v Google: Weil ihre Bilder über die Bildersuche Googles aufrufbar waren, hatte die Firma hinter der Webseite Perfect 10 die Suchmaschine wegen Copyright-Verletzung verklagt. Doch das Bundesberufungsgericht für den neunten Bundesgerichtsbezirk (Ninth Circuit) entschied 2007, dass Google kein Copyright verletzt, weil die Bilder immer direkt vom Perfect-10-Server zum Enduser wandern und nie auf einem Google-Server gespeichert werden.

Der 9. Bundesgerichtsbezirk ist der bevölkerungsreichste. Er umfasst diese US-Staaten und -Territorien.

Seither wurde die Rechtsfrage als geklärt erachtet. Doch nun überrascht das New Yorker Gericht mit seiner gegenteiligen Entscheidung. "Nirgends lässt das Copyright-Gesetz anklingen, dass der Besitz eines Bildes notwendig ist, um es wiederzugeben", schreibt Richterin Katherine Forrest in ihrer Entscheidung. Und sie stellt die Leitentscheidung Perfect 10 ausdrücklich in Frage. Das Urteil aus dem neunten Bundesgerichtsbezirk an der Westküste ist für das New Yorker Bundesbezirksgericht nicht bindend.

Außerdem betont Forrest, dass es sich bei den beklagten Medien nicht um Suchmaschinen handelt. Die Leser hätten nicht nach bestimmten Bildern gesucht und auf die Vorschau geklickt, sondern hätten den Tweet samt Foto automatisch vorgesetzt bekommen. Also greife das Einbetten des Tweets samt Foto in das Copyright des Urhebers ein.

Rundsiegel des US-Bundesbezirksgerichts für Süd-New-York.

Dies ist allerdings nur eine Teilentscheidung; eine Verurteilung der beklagten Webseitenbetreiber ist damit nicht verbunden. Die Richterin überrascht außerdem mit der Ausführung, dass der Urheber duch Verbreitung über Snapchat sein Foto gemeinfrei gemacht haben könnte. Dazu kämen offene Fragen zu Lizenzierungen – der Kläger hat jedenfalls Snapchat eine Lizenz erteilt, jemand hat Imgur eine Lizenz erteilt, die Twitter-User haben Twitter Lizenzen erteilt und Twitter hat den Medien den HTML-Code für die Einbindung der Tweets zur Verfügung gestellt. Die Uploader bei Imgur sowie die Twitterer geben dabei stets an, zur Lizenzierung der Bilder berechtigt zu sein.

Außerdem weist die Richterin darauf hin, dass das Einbinden der Tweets womöglich ein Fall von lizenzfrei zulässigem Fair Use sei; auch eine Verteidigung nach Bestimmungen des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) sei möglich. Und schließlich hafte man für unschuldige Copyright-Verletzung nur eingeschränkt. Diese Fragen müssen im weiteren Gerichtsverfahren geklärt werden.

Für Berufungen wäre das Bundesberufungsgericht für den zweiten Bundesgerichtsbezirk (Second Circuit) zuständig. Unterschiedliche Rechtsansichten zwischen den insgesamt zwölf Circuits gibt es immer wieder. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Höchstgericht, der US Supreme Court, sichmit der Frage befasst und das Recht für alle Bundesgerichte bindend auslegt.

Das Gerichtsverfahren heißt Justin Goldman v. Breitbart News Network und ist am US-Bundesbezirksgericht für Süd-New-York unter dem Az. 17-cv-3144 anhängig.

(ds)