Autonome Waffen, Mini-Drohnen, intelligente Bomben: Verunsicherung als Treiber der Sicherheitsforschung

Dauerhafte Sicherheit, gar Frieden durch die Neuerungen der militärtechnischen Forschung? Eher dürfte die permanente Verunsicherung durch neue Techniken den Sicherheitsforschern reichlich Beschäftigung und den Rüstungsfirmen Aufträge garantieren.

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Autonomen Waffen, Mini-Drohnen, intelligente Bomben: Verunsicherung als Treiber der Sicherheitsforschung

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

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  • Hans-Arthur Marsiske

"Wir wollen natürlich möglichst schnell in die Anwendung gehen." Die Aussage klingt zunächst einmal harmlos und würde wohl von den meisten Wirtschaftspolitikern begrüßt werden. Wenn sie allerdings vom Forscher eines Rüstungskonzerns kommt, der gerade über Granaten mit Splittern aus "reaktivem Material" referiert – also Splittern, die selber wieder wie kleine Bomben wirken – und mit einigen Bildern von zerfetzten Stahltonnen die Effektivität dieser Waffentechnologie demonstriert hat, dann wirkt das doch etwas befremdlich.

Es lädt zum Nachdenken darüber ein, um welche Art von Sicherheit es beim Forum Angewandte Forschung für Verteidigung und Sicherheit in Deutschland der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) in Bonn eigentlich geht.

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Ob sich mit solchen Forschungen dauerhafte Sicherheit – oder gar Frieden – realisieren lassen, darf jedenfalls bezweifelt werden. Dafür wäre zumindest die Einbeziehung der Sozial- und Geisteswissenschaften erforderlich. Die Veranstaltung in Bonn beschränkte sich jedoch auf Ingenieur- und Naturwissenschaften. Und deren Beitrag zur Sicherheit besteht offenbar vornehmlich darin, beim technologischen Rüstungswettlauf nach Möglichkeit die Nase vorn zu haben. Untrennbar damit verbunden ist allerdings die permanente Unsicherheit, ob das auch zukünftig gelingen wird.

Denn auch andere wollen möglichst schnell in die Anwendung gehen. Die militärtechnische Führungsrolle westlicher Staaten ist nicht mehr selbstverständlich. So habe das Pentagon mittlerweile offiziell die Existenz des russischen Systems Status-6 anerkennen müssen, sagte Gunnar Brink (Fraunhofer IOSB). Das ist ein über große Distanzen wirkender Unterwassertorpedo, der potenziell nuklear bewaffnet werden kann. Die USA wiederum wollen unter dem Titel UUVRON (Unmanned Undersea Vehicle Squadron) bis 2020 fünf Prototypen eines unbemannten Unterwassergeschwaders entwickeln.

Der Luftraum wird ebenfalls unsicherer, nicht nur wegen der von den USA, Russland und China massiv vorangetriebenen Entwicklung von Hyperschallflugzeugen, mit denen sich die Abwehrsysteme gegen ballistische Raketen ausmanövrieren lassen. Auch mit kleinen Drohnen lässt sich viel Schaden anrichten. Die Bedrohung durch fliegende improvisierte Sprengvorrichtungen sei nicht mehr abstrakt, mahnte Martin Laurenzis vom Deutsch-Französischen Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL). Multikopter mit Flugzeiten bis zu 30 Minuten, die Sprengladungen bis zu 2,5 kg transportieren können, seien frei verfügbar. Spätestens seit 2015/2016 würden bewaffnete Drohnen auch von Aufständischen im Irak und in Syrien eingesetzt. Bis März 2017 seien 80 Angriffe gezählt worden, bei denen es 40 Tote und 100 Verletzte gegeben habe.

Etwas unklar sei die Informationslage hinsichtlich eines Drohnenangriffs auf eine russische Militärbasis in Syrien, erklärte Laurenzis. Technisch sei das Szenario, über das bisher nur russische Quellen berichtet haben, aber durchaus realistisch: Demnach seien am 6. Januar dieses Jahres zehn kleine, unbemannte Flugzeuge, bewaffnet mit jeweils acht bis zehn Granaten, aus 50 bis 70 Kilometern Entfernung auf die Basis gelenkt worden. Für Laurenzis ist das ein Beispiel eines Sättigungsangriffs, bei dem ein Schwarm von Drohnen die Luftverteidigung des Gegners überfordern soll.

Ohnehin sind die bestehenden Luftabwehrsysteme nicht auf die kleinen, schwer zu erkennenden Systeme ausgelegt. Zwar gibt es vielversprechende Ansätze, Mini-Drohnen im Zusammenspiel von Radar mit optischen und akustischen Sensoren frühzeitig zu detektieren. Aber was dann? "Gegenmaßnahmen sind kein leichtes Thema", räumte Laurenzis ein. Es gebe erfolgreiche Versuche, Drohnen mithilfe von Lasern abzuschießen. Doch das sei insbesondere in Städten problematisch, da so ein Abschuss über größeren Menschenansammlungen womöglich größere Kollateralschäden bewirken könnte als die eigentliche Bedrohung. Auch das häufig zitierte GPS Spoofing, bei dem die Drohne mit gefälschten Navigationssignalen vom Kurs abgebracht werden soll, sei nicht verlässlich. Es lasse sich leicht erkennen und kontern.

Wie es scheint, dürfte die permanente Verunsicherung durch neue Technologien den Sicherheitsforschern auch für die Zukunft reichlich Beschäftigung und den Rüstungsfirmen Aufträge garantieren. Was eine Aussage des Schriftstellers Isaak Asimow unterstreicht, die Thomas Jugel, Amtschef beim Planungsamt der Bundeswehr, zu Beginn des dreitägigen Forums zitierte: "Der traurigste Aspekte des Lebens derzeit ist es, dass die Wissenschaft schneller zu Wissen kommt, als die Gesellschaft zu Weisheit."

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(jk)