Dinosaurier oder heilige Kuh? Schweizer streiten über Rundfunkbeitrag

Braucht eine lebendige Demokratie einen gebührenfinanzierten Rundfunk? Sind Bürger nicht mündig genug, selbst zu entscheiden, für was sie zahlen wollen? In der Schweiz hat jetzt das Volk das Sagen. In Deutschland gucken viele auf die Abstimmung nebenan.

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Dinosaurier oder heilige Kuh? Schweizer streiten um Rundfunkbeitrag

(Bild: SRF)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Oelrich
  • Andreas Heimann
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Für die einen ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen Informationssendungen ein unverzichtbarer Teil der Demokratie. Für die anderen ist er ein mit einer Zwangssteuer finanzierter Monopolist, der den privaten Sendern das Wasser abgräbt. In der Schweiz kommt es am 4. März nun zum Schwur: In einer Volksabstimmung geht es um die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Die Entscheidung könnte durchaus Auswirkungen auf die Diskussion in Deutschland haben. "Wenn diese Initiative durchkommen würde, gäbe das hier all denjenigen Auftrieb, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Rundfunkbeitrag infrage stellen", prognostiziert der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall.

Im Zeitalter von Gratismentalität und Fake News hat eine in Bierlaune entstandene Unmutsbewegung in der Schweiz Fahrt aufgenommen. Die Gegner der Gebühren bekamen genügend Unterschriften zusammen, um eine Abstimmung zu erzwingen. Seitdem tobt eine Grundsatzdebatte über die Rolle der Medien und ihre Zukunft. Die Rundfunkanstalt SRG sagt, ohne Gebühren, die Dreiviertel ihres Budgets decken, müsse sie schließen. Die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sagen, Nachrichten könnten auch Private liefern, oder die SRG möge sich über Werbung oder Kooperationen finanzieren.

Vor allem junge Leute reden von Zwangsgebühren. "Wir möchten, dass wir nur für das zahlen, was wir auch konsumieren", sagt Thomas Juch, Student und Mit-Initiant der Initiative "No Billag", benannt nach der Gebühreneinzugszentrale Billag. Außerdem mache die SRG mit ihrem kostenlosen Internetangebot den Medienmarkt kaputt: "Bei der Quasi-Monopolstellung der SRG sterben viele private Medien weg." Das Medienhaus könne seine Sendungen ja per Pay-TV anbieten – die, die sie sehen wollten, zahlten dann auch. Ohnehin seien die SRG-Journalisten zu links, tönt es aus der rechten Parteienecke.

Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist auch in Deutschland zuletzt deutlich lauter geworden, nicht nur von Seiten der Zeitungsverlage. Gegner des Rundfunkbeitrags, die sich aus Prinzip weigern, die 17,50 Euro im Monat zu zahlen, zogen bereits bis vor das Bundesverwaltungsgerichts – und unterlagen. Auch in den Parteien mehren sich die Stimmen, die ARD und ZDF zu Reformen und Sparsamkeit drängen.

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Rainer Robra (CDU), der für Medien zuständige Minister für Kultur in Sachsen-Anhalt, der im Herbst mit kritischen Überlegungen zur ARD von sich reden machte, hofft auf eine Signalwirkung von der Abstimmung für Deutschland: "Ich setze darauf, dass die Verantwortlichen bei der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft jetzt Vorbild sind, wie man – zugegebenermaßen unter hohem öffentlichen Druck, aber am Ende doch freiwillig – Programmqualität, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann."

Doris Leuthard, Ministerin für Kommunikation, mahnt ihre Landsleute, die SRG trage mit ihrem Nachrichtenangebot zur Grundversorgung der Gesellschaft bei: "Der öffentliche Rundfunk garantiert, dass alle Sprachregionen der Schweiz auf ein vielfältiges Angebot zählen können und unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen", sagt sie. Vorschläge, SRG-Sendungen zum Bezahlen anzubieten, hält sie für illusorisch: "Was sich via Pay-TV finanzieren lässt, sind Sport, Filme – und Sex."

In einer Fernsehdebatte fordert Olivier Kessler, Mit-Initiant der Abstimmung, sie heraus: "Sind wir mündige Bürger oder Schüler, die erzogen werden müssen?" fragt er. Den Moderator der SRG-Sendung kanzelt er als Gebührenprofiteur ab, der deshalb unfair zu ihm sei. Der Moderator erhält anschließend auf Twitter sogar Morddrohungen.

"Qualitätsjournalismus ist über den Markt nicht mehr finanzierbar", sagt der Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss. Der Angriff auf die SRG, die Konzentration am Zeitungsmarkt – Wyss ist alarmiert: "Das Mediensystem ist in Gefahr", sagt er. "Es gibt Politiker, die danach lechzen, dass das passiert. Wir können auch staatspolitisch ein großes Problem bekommen, etwa, wenn Ideologen Medien aufkaufen."

Für den Chefredakteur der konservativen Neuen Zürcher Zeitung, Eric Gujer, ist die SRG nicht mehr zeitgemäß: "Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance", schrieb er.

Ausgerechnet ein Pionier des Privatrundfunks springt nun für die SRG in die Bresche: Roger Schawinski, einst Geschäftsführer beim Privatfernsehsender Sat.1, sagt: "Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ist eine zivilisatorische Leistung. Es erbringt ein Angebot, das private Sender nie erbringen könnten."

In Umfragen lagen Gegner und Befürworter lange Kopf an Kopf. Drei Wochen vor der Abstimmung ging der Trend aber Richtung Ablehnung. Bestimmt oder eher dagegen waren 65 Prozent der Befragten. (mho)