Der vernetzte Kleiderschrank

Eine neue Hightech-Jacke soll ihre Träger nicht nur stets angenehm temperiert halten, sondern auch Informationen über ihre Gewohnheiten sammeln. Werden sich auch bei Kleidung die Anbieter mit den meisten Daten durchsetzen?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Erin Winick

Wenn Sie es als „bedeutendes Garderobe-Problem“ empfinden, im Winter in der warmen U-Bahn eine dicke Jacke tragen zu müssen, hat Ministry of Supply vielleicht eine Lösung für Sie.

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Das in Boston ansässige Bekleidungshaus ist bekannt für seine Experimente mit Technologie. Für seine neueste Kreation, die intelligente Thermo-Jacke Mercury, hat es eine Kickstarter-Kampagne gestartet. Dabei geht es um eine beheizte Jacke mit Internet-of-things-Funktionen, die über eine App gesteuert wird, sich mit Alexa synchronisieren lässt und ihre Temperatur mittels Maschinenlernen anpasst. Das sind eine Menge Modeworte. Doch tatsächlich verbirgt sich ein interessantes Produkt dahinter.

Beheizte Jacken sind nichts Neues. Aktuell gibt es im Internet in der Preisspanne von 195 bis 295, in der auch das Produkt von Ministry of Supply liegt, verschiedene Modelle davon zu kaufen. Allerdings müssen Sie diese Jacken selbst aktivieren und einstellen (welche Mühsal!). Die Mercury-Jacke dagegen nutzt einen Beschleunigungsmesser und Temperatursensoren, um zu regulieren, wie viel Wärme passend zur Umgebungstemperatur und Ihren Aktivitäten bereitgestellt wird. Schutz vor Kälte, ohne anschließend in der U-Bahn schwitzen zu müssen – ein wahres Wunderwerk modernster Technologie.

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Die Jacke in Zahlen

Höchsttemperatur: 57,2 Grad
Dauer Aufwärmen: 90 sec
Maximale Nutzung: 4 Stunden
Gewicht ohne Batterie: 1 kg
Preis als Weste: 195 US-Dollar
Preis als Jacke: 295 Dollar
Auslieferungsdatum: 11/2018

Falls Sie sich gefragt haben: Die Jacke lässt sich angenehm tragen. Die Bluetooth-Verbindungen müssen noch optimiert werden, und an einem für die Jahreszeit ungewöhnlich warmem Tag Ende Februar in Boston waren die Heizelemente eigentlich gar nicht nötig. Doch die Jacke tut im Großen und Ganzen, was sie soll, und bei der Verarbeitung zeichnet sie sich durch die hochwertigen Materialien aus, für die Ministry of Supply bekannt ist. Ich habe den Prototypen ausprobiert, und bis zur Auslieferung des fertigen Produkts im November dürften noch einige Macken behoben werden. Ein wirklich kritisches „Garderoben-Problem“, wie es im Werbematerial des Unternehmens heißt, wird das aber nicht unbedingt lösen (jedenfalls nicht bei dieser Reporterin hier).

Das Interessanteste an der Jacke ist vielleicht die Tatsache, dass Ministry of Supply damit erkunden möchte, was passiert, wenn unsere Kleidung zum Teil des Internet der Dinge wird – und somit zu einer Quelle von Daten. „Als Bekleidungshersteller hat man meist nicht mehr Daten, als dass der Kunde Ihr Produkt gekauft hat und wer er ist“, sagt Gihan Amarasiriwardena, Mitgründer und President von Ministry of Supply. Wenn die Mercury-Jacke häufiger gekauft wird, will das Unternehmen alle möglichen interessanten Informationen neu bekommen, etwa wie oft Kunden sie tragen, wie lang ihre Wege zur Arbeit sind und wie ihre Temperatur-Präferenzen aussehen, ob sie die Jacke auch beim Sport tragen, und so weiter.

Natürlich müssten Käufer damit akzeptieren, dass das Unternehmen ihr Verhalten beim Tragen der Jacke nachvollzieht. Mit Smartphones haben wir uns an Beobachtung gewöhnt, aber sind wir auch bereit, neuartige persönliche Daten preiszugeben, im Tausch gegen das Versprechen eines Unternehmens, ein besseres Kleidungsstück zu bieten?

Ministry of Supply setzt darauf, dass sich ein neues Axiom der Technologie-Welt auch in der Bekleidungsindustrie bewahrheiten wird: Dass die Unternehmen mit den meisten und besten Daten Wettbewerbsvorteile gewinnen. Falls es so ist, dürfte der vernetzte Kleiderschrank nicht mehr lange auf sich warten lassen.

(sma)