Kanadisches Fernsehen führt V-Chip ein

Kanadische Fernsehstationen strahlen mit ihrem Programm ein Signal aus, mit dem ein im Fernseher eingebauter V-Chip Sex, Gewalt und schmutzige Wörter filtert.

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Besorgte Eltern in Kanada können sich seit März dieses Jahres beruhigt zurücklehnen. Die lästige Aufgabe, zu entscheiden, welche Fernsehsendungen geeignet für ihre Kinder sind, übernimmt ab jetzt ein im Fernseher eingebauter V-Chip – V steht dabei für "Viewer Control". Strahlt ein Fernsehsender ein Programm mit Sex, Gewalt oder schmutzigen Wörtern aus, so blendet der V-Chip die Sendung einfach aus; die Mattscheibe bleibt schwarz.

Entwickelt wurde die kanadische Variante des V-Chips von der Action Group on Violence on Television (AGVOT). In Zusammenarbeit mit der Canadian Radio-television and Telecommunications Commission (CRTC) stellte die AVGOT im Juni 1997 ein Rating-System vor, nach dessen Kategorien der V-Chip Sendungen ausfiltert. Erst jetzt strahlen die Fernsehsender jedoch auch ein Signal aus, über das der Chip aktiviert wird.

Der V-Chip wird nicht automatisch aktiv, sondern muss von den Eltern erst programmiert werden. Besorgte Eltern wählen die jeweiligen Kategorien des Rating Systems aus und sichern ihre Eingabe mit einem Code. Betroffen sind nur Spielfilme, Kindersendungen, Dramen und Reality-Shows. Nachrichtensendungen, Magazine, Dokumentationen und Talk-Shows werden nicht von dem Rating System erfasst und folglich auch nicht von dem V-Chip gefiltert.

Nach Angaben der AVGOT existieren in Kanada derzeit schon 250.000 TV-Geräte mit eingebautem V-Chip. Altgeräte lassen sich mit einer separaten Box nachrüsten. In Zusammenarbeit mit den Fernsehherstellern will die AVGOT dafür sorgen, dass bereits im nächsten Jahr kein Fernseher in Kanada mehr ohne V-Chip verkauft wird.

Doch nicht nur in Kanada ist der V-Chip auf dem Vormarsch. Ebenso gibt es in den USA eine Variante, die von der Federal Communications Commission entwickelt wurde. Einer der größten Unterstützer des V-Chip ist der amerikanische Medien-Mogul Rupert Murdoch, auf dessen Fernsehsender Fox Network die Serie Mighty Morphin Power Rangers läuft und mit der Murdoch wegen der ästhetisierten und verharmlosenden Gewaltdarstellung in die Kritik von Elternorganisationenen kam. Mit dem V-Chip kann Murdoch nun seine Verantwortung auf ein kleines Stück Silizium abwälzen. So können die Power Rangers sich ungehindert weiter austoben, und Kritiker des Programms werden einfach auf den Chip verwiesen. Die Diskussion über Medieninhalte bleibt auf der Strecke.

Aber nicht nur aus pädagogischer Sicht ist der V-Chip bedenklich. Programme, die der V-Chip ausblendet, bringen dem Sender weniger Werbeeinnahmen. Als Folge könnten Sendungen generell verschwinden, die Kulturkonservative als nicht für Kinder geeignet einstufen. Ebenso problematisch ist die thematische Gleichsetzung von Sexualität und Gewalt durch das amerikanische Rating System, welches unter dem Punkt "Suggestive Language" selbst Sprache – im konkreten Fall speziell Rap-Musik – zensiert. Der V-Chip stärkt damit die Gate-Keeper-Funktion der Wächter über das Rating System: Sie entscheiden auf Dauer, was gesendet wird und was nicht. (hag)