Saubere Luft aus dem Schlot

Über Chinas Millionenstädte liegen oft dichte Smogwolken. Gigantische Filtertürme sollen nun unter Ausnutzung von Aufwinden die Luft reinigen.

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Von
  • Udo Flohr
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Die alte Kaiserstadt Xian ist eine Touristenattraktion. Hier starten etwa die Besichtigungstouren zur berühmten Terrakotta-Armee. Weil die Stadt aber vor allem im Winter auch für üblen Smog bekannt ist, erprobt das Umweltinstitut der chinesischen Akademie der Wissenschaften hier seit 2016 einen überdimensionalen Filterturm, der die Luft säubert.

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Da sich das Prinzip bewährt hat, plant der wissenschaftliche Leiter Cao Junji nun sogar einen 300-Meter-Turm für Xian. Alternativ schlägt er vor, mehrere Anlagen rund um urbane Zentren zu gruppieren. Für den vom "6. Ring" umschlossenen Innenstadtbereich Pekings gibt es Planungen für sechs Türme, die dann allerdings deutlich höher ausfallen müssten: Eine 500-Meter-Anlage könnte täglich 22 Milliarden Kubikmeter Luft filtern.

Am Fuße des rund 60 Meter hohen Prototyps in Xian erwärmt sich Luft unter einem gewächshausähnlichen Glasdach von der Fläche eines halben Fußballplatzes. Die warme Luft steigt auf und passiert dabei Filteranlagen, bevor sie oben austritt. Am Boden saugt der entstehende Unterdruck derweil immer neue Luft an. Die Anlage funktioniert wie ein Aufwindkraftwerk – erzeugt mit der anfallenden Energie aber keinen Strom, sondern saubere Luft.

Nach Caos Angaben reinigt der zwei Millionen Dollar teure Prototyp im Winter fünf bis acht Millionen Kubikmeter Luft pro Tag, im Sommer bis zu zehn. Die besonders problematischen Feinstaubpartikel um 2,5 Mikrometer Durchmesser (PM2.5) würden dabei zu 90 Prozent herausgefiltert, Sulfate und Nitrate zu 80 Prozent. Die jährlichen Betriebskosten beziffert Cao auf 30000 Dollar. Versuchsweise filtert die Anlage auch Stickstoffdioxid (NO2) aus der Luft. Eine Forschergruppe experimentiert dazu mit einer Titaniumdioxid-Beschichtung für die Scheiben des Gewächshauses.

Laut den auf zehn Quadratkilometer verteilten Messstationen hat sich die PM2.5-Konzentration in der Nähe des Turms im Vergleich zu anderen Stadtteilen um 19 Prozent verringert. Cao räumt indes ein, dass es sich dabei bisher um eine eher lokale Wirkung handelt.

Für die 500 Meter hohen Türme böte sich zudem die Kombination mit einer im Aufwind montierten Turbine zur Stromerzeugung an. Weiterer Vorteil: Würde das Wetter im Winter so kalt, dass die Differenz zwischen Restwärme und Außentemperatur nachts nicht mehr für den Treibhaus-Betrieb ausreicht, ließe sich die Turbine zum elektrischen Ventilator umkonfigurieren. Dadurch könnte der Turm rund um die Uhr Luft reinigen, bräuchte aber zusätzlich Energie.

Kleiner Schönheitsfehler, der seit jeher die Realisierung solcher Sonnenkamine behindert: Bei höheren Türmen steigt auch der Flächenbedarf für die Gewächshäuser im Quadrat. Skeptiker wie der Atmosphärenforscher Neil Donahue von der Carnegie Mellon University fordern denn auch eine Gegenüberstellung benötigter Kosten und Ressourcen im Vergleich zu Maßnahmen, die den Ausstoß der Schadstoffe von vornherein vermeiden.

Trotzdem könnte die Kombination aus Luftfilterung und Stromerzeugung für eine Renaissance der Technik sorgen – zumal sich der Turm als Luftschacht in Hochhäuser integrieren ließe, die dann praktischerweise gleich mit der kühlen, sauberen Luft klimatisiert würden.

(bsc)