Zurück zur natürlichen Geburt

Die WHO setzt sich in ihren neuen Richtlinien für eine möglichst natürliche und selbstbestimmte Geburt ein. Vor allem sollen Geburten nicht nach einem eng vorgegebenen Zeitplan ablaufen.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Es ist und bleibt eine Gratwanderung. Natürlich haben die Möglichkeiten der modernen Medizin unzähligen Frauen und ihren Babys das Leben gerettet. Auf der anderen Seite setzen Geburten nach vorgegebenem Zeitplan Schwangere bisweilen extrem unter Druck: Wann ist die Zeit des Austragens etwa überschritten und eine Geburt muss eingeleitet werden? Ebenso ist umstritten, wie lange eine Frau in den Wehen liegen darf, bevor seitens der Mediziner eingegriffen wird. Jetzt hat sich jedenfalls die Weltgesundheitsorganisation WHO des Themas angenommen und eine aktualisierte Broschüre mit Empfehlungen für eine "positive Geburtserfahrung" herausgebracht.

In den aktualisierten WHO-Richtlinien geht es hauptsächlich darum, den Frauen die Hoheit über die Geburt ihres Kindes zurückzugeben. Denn in den vergangenen zwanzig Jahren hätten die Mediziner die Zahl jener Interventionen erhöht, die vorher nur eingesetzt worden seien, um Risiken oder Komplikationen zu vermeiden, kritisierte die Weltgesundheitsorganisation. Dazu gehören zum Beispiel der Einsatz des Hormons Oxytocin – oder sogar der Kaiserschnitt.

Um den Zeitdruck aus dem Geburtsvorgang herauszunehmen, verabschiedete sich die WHO außerdem von einer althergebrachten Formel. Die Gesundheitsexperten gehen nun nicht mehr davon aus, dass sich der Gebärmutterhals im Zuge der Geburt um einen Zentimeter pro Stunde erweitern muss. Es genügt vielmehr eine Öffnung von fünf Zentimetern innerhalb von zwölf Stunden.

Im Zentrum all dieser Bemühungen steht das Ziel einer möglichst natürlichen, vor allem aber selbstbestimmten Geburt: "Wenn sich die Wehen normal entwickeln und sowohl die Mutter als auch ihr Kind in einer guten Verfassung sind, werden keine zusätzlichen Interventionen zur Beschleunigung der Geburt benötigt", sagte Princess Nothemba Simelela, stellvertretende WHO-Generaldirektorin für Familie, Frauen, Kinder und Heranwachsende.

Neben der medizinischen Unversehrtheit steht dabei vor allem das seelische Wohlbefinden der Frauen im Fokus der WHO-Richtlinien: "Sogar wenn eine medizinische Intervention gewollt ist oder benötigt wird, ist es wichtig, die Frauen in die Entscheidung über die jeweiligen Maßnahmen mit einzubeziehen – damit sie ihr Ziel einer positiven Geburtserfahrung erreichen können", sagte Ian Askew, WHO-Direktor der Abteilung für Reproduktionsmedizin und -forschung. Obwohl auch all diese Forderungen selbst wiederum eine Gratwanderung sind, so lenken sie doch die Aufmerksamkeit in die richtige Richtung.

(inwu)