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KI-Einsatz bei Ubisoft: Vom Computer-Praktikanten zum Spieldesigner

KI-Routinen greifen Ubisoft-Designern bei der Entwicklung unter die Arme, während in den fertigen Spielwelten Auto-KIs für den Ernstfall üben. Und am Horizont grüßen Spielfiguren, die komplett ohne menschliches Zutun entstehen.

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KI-Einsatz bei Ubisoft: Vom Praktikanten zum Spieldesigner

Assassin's Creed Origins: Dank umfangreicher Daten aus zehn Jahren der Action-Adventure-Reihe erstellen KI-Routinen eigenständig Animationsroutinen.

(Bild: Ubisoft)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Roland Austinat
Inhaltsverzeichnis

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz beim Design, im eigentlichen Spiel und bei der Betreuung dessen Community ist eins der großen Themen der GDC 2018 in San Francisco. Dabei sind KI und Spiele schon lange enge Freunde: 1996 schlug Deep Blue Garry Kasparov im Schach, AlphaGo macht seit 2015 amtierenden Go-Profis das Leben schwer. Und schon 2013 brachte Deep Mind sich selbst bei, klassische Atari-8-Bit-Videospiele zu meistern.

Computer- und Videospielhersteller Ubisoft rief daher nicht von ungefähr vor zwei Jahren eine Abteilung namens LaForge ins Leben. Geleitet wird sie von Yves Jacquier, dessen Titel "Executive Director Production Services, Studio Montreal" noch so gerade eben auf die Visitenkarte passt.

Hauptaufgabe von La Forge ist das Zusammenbringen von Forschern und Spieldesignern. Mit gutem Grund: "In der akademischen Welt ist es wichtig, Aufsätze und Bücher zu veröffentlichen, die angewandte Forschung nimmt oft nur einen kleinen Teil der universitären Aktivitäten ein", sagt Yves Jacquier auf der GDC. "Auf der anderen Seite geht es bei der Spielentwicklung hauptsächlich darum, fertige Produkte auf den Markt zu bringen. Die Entwicklung von Prototypen, in denen neueste Forschungsergebnisse integriert werden, führt da nur ein Schattendasein."

Yves Jacquier leitet La Forge - eine Abteilung bei Ubisoft Montreal, die KI-Forschung und der Spielentwicklung verbinden will.

(Bild: Roland Austinat)

Die ersten Ergebnisse der Zusammenarbeit sind vielversprechend. So übernimmt in einem Projekt eine KI die Verarbeitung von Animationsaufnahmen, die per Motion Capturing entstanden sind. Benötigt ein Entwickler noch vier Stunden, um die manchmal nicht hundertprozentig korrekt aufgenommenen Positionsdaten in Reih und Glied zu bringen, erledigt die KI die gleiche Aufgabe in vier Minuten.

Kollege Computer greift dabei unter anderem auf die fertigen Animationsdaten zurück, die in den letzten zehn Jahren bei der Spieleserie Assassin's Creed angefallen sind. Dem Designer bleibt so deutlich mehr Zeit für sinnstiftende Tätigkeiten, die dem Spiel und damit den Spielern zugute kommen.

Ein weiteres Anwendungsfeld sind die gewaltigen Welten, die die Kulisse aktueller Spiele bilden. Für das Action-Adventure Watch Dogs 2 packten die Entwickler beispielsweise die Bay Area mit San Francisco, Oakland, Berkeley, dem Silicon Valley und Marin County ins Spiel. Auf den Straßen sind normalerweise Spieler, computergesteuerte Bösewichte und normale Verkehrsteilnehmer und Passanten unterwegs. Doch Gassen, Straßen und Autobahnen bieten autonomen Fahrzeugen eine hervorragende Verkehrsschule, bei der Auto-KIs ohne die Gefährdung von Mensch und Tier trainieren können.

Weitere Beispiele, bei denen der Computer den Entwicklern immer stärker unter die Arme greift, sind der automatisch berechnete Wechsel von einer Bewegungsart in die nächste, etwa vom Schleichen zum Rennen. Musste früher ein Schauspieler jedes Schwert und jede Axt schwingen, um diese Animationen ins Spiel zu bringen, kann das bald auch eine KI ohne menschliches Zutun physikalisch korrekt erledigen.

Und an Gesichtsanimationen, bei denen sich nicht nur die Lippen abhängig von der gesprochenen Sprache automatisch und passend bewegen, arbeiten viele Entwickler rund um den Globus. Für das ein solches Projekt richtete Ubisoft in Kooperation mit der renommierten McGill University in Montreal sogar einen eigenen Lehrstuhl ein. Der Hersteller zeigt sich offen, was die Ergebnisse angeht: In wissenschaftlichen Aufsätzen finden auch Mitbewerber heraus, welche konkreten Hilfen und Möglichkeiten der KI-Einsatz beim Spielentwickeln bietet.

Wissenschaftler veröffentlichen Aufsätze, Spielhersteller Spiele - La Forge will ein Bindeglied zwischen beiden Gruppen sein.

(Bild: Ubisoft)

Auch im eigentlichen Spiel sollen uns immer schlauere KI-Kollegen begegnen. Yves Jacquier: "In For Honor lernte ein digitaler Schwertkämpfer anhand der Aktionen des Spielers, dass er mit einem raschen Zuschlagen und anschließenden Zurückweichen seinen menschlichen Gegner prima ausbremsen und überrumpeln kann." Danach gefragt, ob die Spielschwierigkeit durch solche schlauen Bots irgendwann von unterhaltsam-fordernd auf frustrierend-unschlagbar umkippen könnten, wiegelt Jaquier ab: "Zunächst geht es uns darum, KI bei der Entwicklung von Spielen einzusetzen."

Dennoch träumt Jacquier schon von NPCs, die komplett von einer KI gebaut werden - Aussehen, Animationen und Reaktionen auf den Spieler entstehen dann ohne Zutun eines menschlichen Designers. "In zwei, drei Jahren" sollen solche Figuren nach Yves Jacquiers Meinung in Computer- und Videospielen zu finden sein. Und damit ist noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht - denkbar sind beispielsweise Szenarien, in denen jeder Computercharakter mit dem Spieler über sein Leben und die Spielwelt plaudern kann - Westworld lässt grüßen. (dahe)