Freundliche Mikroben
Bakterien oder parasitäre Pilze genießen nicht unbedingt den besten Ruf. Ed Yong will ihr Image aufpolieren.
- Inge WĂĽnnenberg
NatĂĽrlich sind wahre Horrorgeschichten zu erwarten, wenn von Mikroben die Rede ist. Ein reÂgelÂrechÂtes Schreckensszenario entwickelt Ed Yong in der Passage ĂĽber den Pilz BatraÂchochytrium dendrobatidis, geÂnannt Bd. Er setzt sich auf der Haut von AmÂphiÂbien fest und hat bereits viele Arten aussterben lassen. Doch wie der briÂtische Wissenschaftsjournalist in seiÂnem SachbuchdebĂĽt „Winzige GeÂfährÂten“ zeigt, sind MikroÂorganismen nicht nur das Leid der TierÂwelt, sondern oft auch ihre Rettung. Yong erzählt zum Beispiel, wie US-ForÂscher Bakterien fanden, die Frösche unempfindlich gegen die tödliche Pilzinfektion machen.
Unzählige Storys von Mikrobiologen und ihrer immer faszinierenden ForÂschung versammelt der 1981 geborene Autor, selbst Biologe, in seinem Band – angefangen bei dem niederländischen Tuchhändler Antoni van Leeuwenhoek, der die „animalcules“ mit seinen selbst konstruierten Minilinsen entdeckte. Viel aufregender als die eloquent beschrieÂbene Historie der Keime aber sind die akÂtuÂellen Entdeckungen. Dabei stehen vielÂfach medizinische Anwendungen im Mittelpunkt, denn die Gesundheit eines Menschen ist eng verknĂĽpft mit den MiÂkroÂben, die in seinem Körper leben.
Ihr bekanntester Einfluss ist jener auf die Verdauung. Wenn zu Antibiotikabehandlungen gegriffen wird, kann eine leÂbensbedrohliche Diarrhö die Folge sein. FĂĽr Yong eine der hausgemachten KrankÂheiten der Industrieländer: „Sie ist die unÂbeÂabÂsichÂtigte Folge der BeÂstrebunÂgen, MiÂkroÂorganismen unterschiedsÂlos zu töten“, schreibt er. Als GegenmaĂźnahme helfe eine Therapie, die der Autor selbst als „krass“ empÂfindet: die StuhlÂtransÂplantation. Die PioÂnieÂre nutzen tatsächlich menschlichen Kot, um den Darm wieder zu besiedeln. Inzwischen hat die Forschung glĂĽcklicherweise Fortschritte gemacht. Die kanadische Medizinerin Elaine Petrof hat eine MiÂkrobengemeinschaft zuÂsamÂmengestellt, die anstelle des Stuhls geÂgeben werden kann. Am Ende, so die Idee, steht ideaÂlerÂweise eine auf die konkrete Krankheit oder den individuellen PaÂtienten abÂgeÂstimmte Mischung.
Yong gelingt eine anÂschauliche BeÂschreibung des komÂplexen Wechselspiels zwischen MikroÂorganisÂmen und den anderen irdischen LeÂbeÂweÂsen. So schildert er die Symbiose zwischen dem Zwergtintenfisch EuÂprymÂna scolopes und den Leuchtbakterien, die dieser beherbergt. Oder er beÂschreibt den Kampf gegen das DengueÂfieber, fĂĽr den die ĂĽbertragenden MĂĽcken mit dem Wolbachia-Bakterium infiziert wurden. Nicht zuletzt spielt die synthetische Biologie eine Rolle, bei der Kleinstlebewesen modifiziert oder gar gebaut werden. Doch egal aus welchem Labor Yong berichtet: FĂĽr seine Beobachtungen nutzt er eine verblĂĽffend pointierte bildhafte Sprache – und gewinnt viele Sympathien fĂĽr seine Freunde, die Mikroben.
Ed Yong: „Winzige Gefährten. Wie Mikroben uns eine umfassendere Ansicht vom Leben vermitteln“, Verlag Antje Kunstmann, 448 Seiten, 28 Euro (E-Book 21,99 Euro)
(anwe)