Freundliche Mikroben

Bakterien oder parasitäre Pilze genießen nicht unbedingt den besten Ruf. Ed Yong will ihr Image aufpolieren.

vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge WĂĽnnenberg

Natürlich sind wahre Horrorgeschichten zu erwarten, wenn von Mikroben die Rede ist. Ein re­gel­rech­tes Schreckensszenario entwickelt Ed Yong in der Passage über den Pilz Batra­chochytrium dendrobatidis, ge­nannt Bd. Er setzt sich auf der Haut von Am­phi­bien fest und hat bereits viele Arten aussterben lassen. Doch wie der bri­tische Wissenschaftsjournalist in sei­nem Sachbuchdebüt „Winzige Ge­fähr­ten“ zeigt, sind Mikro­organismen nicht nur das Leid der Tier­welt, sondern oft auch ihre Rettung. Yong erzählt zum Beispiel, wie US-For­scher Bakterien fanden, die Frösche unempfindlich gegen die tödliche Pilzinfektion machen.

Unzählige Storys von Mikrobiologen und ihrer immer faszinierenden For­schung versammelt der 1981 geborene Autor, selbst Biologe, in seinem Band – angefangen bei dem niederländischen Tuchhändler Antoni van Leeuwenhoek, der die „animalcules“ mit seinen selbst konstruierten Minilinsen entdeckte. Viel aufregender als die eloquent beschrie­bene Historie der Keime aber sind die ak­tu­ellen Entdeckungen. Dabei stehen viel­fach medizinische Anwendungen im Mittelpunkt, denn die Gesundheit eines Menschen ist eng verknüpft mit den Mi­kro­ben, die in seinem Körper leben.

Ihr bekanntester Einfluss ist jener auf die Verdauung. Wenn zu Antibiotikabehandlungen gegriffen wird, kann eine le­bensbedrohliche Diarrhö die Folge sein. Für Yong eine der hausgemachten Krank­heiten der Industrieländer: „Sie ist die un­be­ab­sich­tigte Folge der Be­strebun­gen, Mi­kro­organismen unterschieds­los zu töten“, schreibt er. Als Gegenmaßnahme helfe eine Therapie, die der Autor selbst als „krass“ emp­findet: die Stuhl­trans­plantation. Die Pio­nie­re nutzen tatsächlich menschlichen Kot, um den Darm wieder zu besiedeln. Inzwischen hat die Forschung glücklicherweise Fortschritte gemacht. Die kanadische Medizinerin Elaine Petrof hat eine Mi­krobengemeinschaft zu­sam­mengestellt, die anstelle des Stuhls ge­geben werden kann. Am Ende, so die Idee, steht idea­ler­weise eine auf die konkrete Krankheit oder den individuellen Pa­tienten ab­ge­stimmte Mischung.

Yong gelingt eine an­schauliche Be­schreibung des kom­plexen Wechselspiels zwischen Mikro­organis­men und den anderen irdischen Le­be­we­sen. So schildert er die Symbiose zwischen dem Zwergtintenfisch Eu­prym­na scolopes und den Leuchtbakterien, die dieser beherbergt. Oder er be­schreibt den Kampf gegen das Dengue­fieber, für den die übertragenden Mücken mit dem Wolbachia-Bakterium infiziert wurden. Nicht zuletzt spielt die synthetische Biologie eine Rolle, bei der Kleinstlebewesen modifiziert oder gar gebaut werden. Doch egal aus welchem Labor Yong berichtet: Für seine Beobachtungen nutzt er eine verblüffend pointierte bildhafte Sprache – und gewinnt viele Sympathien für seine Freunde, die Mikroben.

Ed Yong: „Winzige Gefährten. Wie Mikroben uns eine umfassendere Ansicht vom Leben vermitteln“, Verlag Antje Kunstmann, 448 Seiten, 28 Euro (E-Book 21,99 Euro)

(anwe)