Stammzellen gegen Erblindung

Lässt sich der Verfall des Sehvermögens durch Implantate aus embryonalen Stammzellen stoppen und vielleicht sogar umkehren? Erste Studien machen Hoffnung.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Emily Mullin
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Ein aus einer dünnen Scheibe embryonaler Stammzellen gefertigtes Augen-Implantat könnte eine wirksame Behandlungsmöglichkeit für eine verbreitete Form von Blindheit werden.

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Forscher an der University of Southern California züchteten in einem sterilen Labor einen Monat lang Stammzell-Membranen und setzten sie dann in die Augen von vier Personen mit „trockener“ Makula-Degeneration ein. Bis 2020 könnten nach Schätzungen 196 Millionen Menschen weltweit von einer Makula-Degeneration betroffen sein.

Patienten mit der trockenen Form leiden unter einer voranschreitenden Ausdünnung des Retinal-Pigment-Epithels, einer Schicht von Zellen, die zur Unterstützung und Versorgung der lichtempfindlichen Fotorezeptoren dient. Ohne diese wichtige Schicht, die durch das Implantat ersetzt wird, sterben auch die Fotorezeptor-Zellen ab, und die betroffenen Menschen verlieren allmählich das Augenlicht.

Nach der Behandlung haben die Forscher ihre vier Patienten ein Jahr lang beobachtet. In dieser Zeit ließ sich keine Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit mehr feststellen.

Mit der Studie sollte die Sicherheit des Implantats überprüft werden, also wurden nur Patienten mit sehr weit fortgeschrittener Makula-Degeneration in sie aufgenommen. Mit einer Verbesserung der Sehfähigkeit habe er deshalb nicht gerechnet, sagt Amir Kashani, Autor der Studie. „Doch nach der Operation konnte einer der Patienten auf einer Sehtest-Tafel 17 Buchstaben mehr erkennen als vorher“, berichtet er.

Zwei Patienten waren außerdem in der Lage, ihren Blick stärker zu fokussieren als zuvor, geht aus den Anfang April in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine veröffentlichten Ergebnissen hervor. Für Patienten mit früheren Stadien von Makula-Degeneration hofft Kashani auf eine stärkere Wirkung.

Zum ersten Mal wurden vor 20 Jahren Stammzellen aus menschlichen Embryos entnommen. Wissenschaftler staunten über deren Fähigkeit, sich zu jedem Zelltyp im Körper zu entwickeln. Schnell entstand die Hoffnung, die Zellen würden sich bald zur Behandlung unterschiedlichster Krankheiten nutzen lassen, von Augenproblemen bis Diabetes. Dieser Traum wartet weiter auf seine Realisierung. Bislang hat die US-Gesundheitsbehörde FDA keinerlei Therapien auf der Basis embryonaler Stammzellen zugelassen, und die meisten Studien an Menschen brachten wenig bemerkenswerte Erkenntnisse.

So haben Forscher bereits versucht, embryonale Stammzellen direkt ins Auge zu injizieren, doch die Zellen bewegten sich darin herum und zeigten wenig Wirkung. „Der Grund dafür, dass wir jetzt optimistischer sind, liegt darin, dass wir genau den anatomischen Defekt ersetzen, der die Krankheit verursacht“, sagt Kashani.

Am Moorfields Eye Hospital in London hat eine weiteres Team vor kurzem über einen ähnlichen Stammzellen-Einsatz berichtet. Damit war es gelungen, zwei Patienten mit der feuchten Form der Makula-Degeneration die Sehfähigkeit zurückzugeben. Diese Krankheit wird üblicherweise durch abnormale Blutgefäße ausgelöst, die in zentrale Bereiche der Retina geraten.

Jedoch waren beide Studien klein, und bei keiner gab es Kontrollgruppen. Damit lässt sich kaum sagen, ob die registrierten Verbesserungen wirklich auf die Stammzell-Therapien zurückzuführen waren.

Laut Paul Knoepfler, Stammzell-Biologe an der University of California in Davis, geht die Arbeit mit Stammzellen deshalb so langsam voran, weil sie enorme Sicherheitsrisiken mit sich bringen. „Bei kommerziellen Kliniken haben wir gesehen, wie der übereilte Einsatz von Stammzellen schrecklich schiefgehen kann“, sagt er.

Im vergangenen Jahr zum Beispiel kündigte die FDA an, gegen unseriöse Kliniken vorzugehen, die Patienten mit Injektionen von Stammzellen aus dem Fett von Menschen blind gemacht hatten.

(sma)