Zurück zu den Wurzeln

In Fernost produzieren, rieten Berater dem Modelleisenbahnbauer Märklin. Er folgte dem Rat und ging pleite. Nun rollen wieder Waggons vom Band – in Deutschland. Und das Unternehmen ist nicht der einzige Rückkehrer.

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Von
  • Christian Buck

Göppingen ist Modelleisenbahnland. Und das liegt an Märklin, dem Urgestein des Modelleisenbahnbaus, das diese Landschaft als Idylle in die Welt getragen hat. Sie prägte das Bild von Deutschland im Ausland, Märklin-Bahnen waren die Kuckucksuhren der Modellbauer. Wie also sollte es gutgehen, als sich das Unternehmen aus seiner Heimat verabschiedete?

Es ging nicht gut. 2006 hatte ein Finanzinvestor Märklin übernommen, und eine Truppe von Unternehmensberatern rechnete dem Management vor, dass das Heil der Firma künftig in China liege. Die Zeit der Kunststoffteile-Produktion für Spielzeugwaggons in Deutschland sei abgelaufen, glaubten sie damals. Also machte Märklin seine Fertigung in Thüringen dicht und suchte sich Kooperationspartner in Fernost, die Güterwagenböden und alle anderen Waggonteile für das Traditionsunternehmen fertigen sollten – natürlich deutlich billiger als am Hochlohnstandort Deutschland. Der Erfolg war bestenfalls durchwachsen: Manches Modell kam in guter Qualität aus Asien, bei anderen stimmten beispielsweise die Konturen oder die Druckqualität nicht. Ernüchterung machte sich breit.

Anfang 2009 ging Märklin pleite. Die Führungsriege nutzte den Einschnitt für einen Neuanfang. „Uns war klar, dass wir zurück in die eigenen Werke kommen mussten“, erinnert sich Produktionsleiter Gerhard Tastl an die schwierige Zeit. „Ebenso klar war aber auch, dass wir dafür konsequent automatisieren mussten. Nur durch maschinelle Handling-Systeme wie in der Spritzgussfertigung konnten wir zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren.“ Nun erblickt im örtlichen Werk ungefähr alle 20 Sekunden ein neuer Güterwagenboden das Licht der Welt. Ein Roboter arbeitet im Zweischichtbetrieb mit einer Kunststoff-Spritzgussmaschine zusammen. Präzise und unermüdlich entnimmt er jeden frisch gespritzten Güterwagenboden im Maßstab 1:87 und legt ihn auf ein Förderband.

Im Erdgeschoss entstehen auf ähnliche Weise Tenderböden für Dampflokomotiven im Zinkdruckguss. Etwa alle 30 Sekunden entnimmt ein Roboter das noch etwa 130 Grad heiße Teil und legt es aufs Band. Ein Stockwerk höher befreien rotierende Bürsten die Druckgussteile von überstehenden Materialresten, sogenannten Graten. Auch hier erledigen zwei Roboter zumindest Teile der Aufgabe. Vor der Bearbeitungszelle steht ein Referenzprodukt, auf dem die kritischen Stellen grün markiert sind. „Die Roboter sind in der Lage, die im Gießprozess an der Teileoberfläche entstehende Gratbildung zu entfernen“, so Tastl. „In China könnte man das manuell machen. In Deutschland müssen wir diesen Schritt automatisieren, um wettbewerbsfähig produzieren zu können.“

Niemand muss die Maschine bedienen, Arbeiter sind hier nur noch für die Endkontrolle zuständig. Von einer menschenleeren Produktion, Angstvorstellung in Zeiten der Automatisierung, kann dennoch keine Rede sein: Von den insgesamt 450 Mitarbeitern am Stammwerk arbeiten trotz Robotereinsatz rund 140 in der Produktion.

Märklin ist typisch für einen Trend, der sich derzeit in verschiedenen Branchen beobachten lässt: Immer mehr Unternehmen ziehen sich aus den vermeintlich attraktiven Niedriglohnländern in Asien und anderswo zurück und verlagern ihre Produktion wieder nach Deutschland. Dem internationalen Wettbewerbsdruck halten sie stand, indem sie so viele Tätigkeiten wie möglich von Menschen auf Maschinen verlagern.

(rot)