Computerprogramm visualisiert Müll-Altlasten

Mit einer neuen Methode machen Geophysiker der Universität Köln verborgene Altlasten sichtbar.

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Von
  • Andreas Grote

Geophysikern der Universität Köln ist es weltweit zum ersten Mal gelungen, ein dreidimensionales tomographisches Bild einer stillgelegten Abfalldeponie zu erstellen. "Dadurch ist es möglich, Altlasten im Boden ohne aufwendige Bohrproben zu lokalisieren und zu diagnostizieren" erklärt Projektleiter Prof.Dr. Bülent Tezkan vom Institut für Geophysik und Meteorologie gegenüber c't.

Hierzu hatten die Geophysiker zunächst das Gelände mit Hilfe der noch relativ jungen Radiomagnetotellurik (RMT)-Methode vermessen. RMT ist ein elektromagnetisches Verfahren, das die elektrischen und magnetischen Felder im Längst- und Langwellenbereich zwischen zehn und 300 kHz im Boden vermisst und damit ihre elektrische Leitfähigkeit bestimmt. Es eignet sicher daher besonders zur Erkundung der obersten Erdschichten. Die Methode benutzt hierfür als Sendesignal die elektro-magnetische Welle eines Radiosenders. Der Frequenzbereich von drei bis 30 kHz wird hauptsächlich von militärischen Sendern genutzt, wie z. B. zur U-Boot-Kommunikation. In höheren Frequenzbändern im Extrem-Langwellenbereich und im Langwellenbereich finden sich dagegen auch zivile Sender wie der Zeitzeichensender DCF77 bei Mainflingen, der auf der Trägerfrequenz von 77,5 kHz sendet.

Um das Gelände mit den Radiowellen zu vermessen, wird dieses vorher in ein Rastermuster eingeteilt. Für die Messung der Magnetfelder verwenden die Forscher eine mobile Kreisspule mit etwa 40 Zentimetern Durchmesser und einem Gewicht von rund sieben Kilogramm. Etwa alle fünf bis zehn Meter findet eine Messung statt, die in der Regel drei bis vier Minuten dauert. Insgesamt hatten die Forscher bei der stillgelegten Abfalldeponie 300 Sondierungspunkte zu messen, was zwei Personen zwei Arbeitstage lang beschäftigte. Bei Messaufträgen von Firmen oder staatlichen Institutionen veranschlagen die Kölner Geologen denn auch rund tausend Mark am Tag. Die elektrischen Felder bestimmten sie dabei mit zwei Elektrodenspießen, die im Abstand von fünf Metern in die Erde gesteckt wurden. Gemessen wird jeweils mit mehreren Frequenzen unterschiedlicher Eindringtiefe in den Boden. Je nach elektrischer Leitfähigkeit der Bodenschichten kann die Messungsmethode zwischen zwei und 30 Meter in die Tiefe dringen. So ist die Eindringtiefe bei Ton öder Löss gering, bei Granit dagegen größer.

Die mit der RMT-Methode gewonnenen Daten wurden anschließend mit der neu entwickelten Software in die 3D-Ansicht umgerechnet. Das Programm entwickelten die Kölner Forscher zusammen mit Dr. Greg Newman, einem Gastwissenschaftler aus den USA. Die Berechnungen der Daten sind so aufwendig, dass diese Arbeit nur von massiv parallelen Supercomputern mit Hunderten bis Tausenden zusammengeschalteter Prozessoren in einer vertretbaren Zeit durchgeführt werden kann. Die jetzt vorgestellte erste Berechnung wurde durch einen Kontakt von Dr. Newman ermöglicht. Die Daten wurden per Datenleitung in die USA geschickt und dort in einem solchen Superrechner verarbeitet, der mehr als eine Billion Rechenoperationen pro Sekunde durchführen kann. In Zukunft werden solche Berechnungen aber auch in Deutschland im Forschungszentrum Jülich oder an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften möglich sein, hofft Tezkan.

Als Ergebnis erhält der Geophysiker ein farbiges, dreidimensionales Abbild der ca. 400 × 600 Meter großen Deponie, das die elektrische Leitfähigkeit im Erdboden widerspiegelt. Die Neuerung liegt dabei in der 3D-Inversionsrechnung. Bislang sind solche Darstellungen mangels Rechenleistung nur zweidimensional und erlauben so die grafische Auswertung der Werte nur in zwei Richtungen.

Da Hausmülldeponien im Vergleich zum Umgebungsboden viel leitfähiger sind, erscheinen sie im Bild gelb. Darunter liegen die Kiesschicht (grün) und die Tonschichten. Die grafische Auswertung macht es einfacher, Stellen in der Altdeponie zu lokalisieren, wo die Leitfähigkeit beispielsweise durch eine Metallanreicherung im Boden sehr hoch ist. Eine Gefährdung des Grundwassers wäre beispielsweise dann zu befürchten, wenn die Altlast in die etwa 16 bis 17 Meter unter der Erde liegende Kiesschicht (grün) gelangt. "Dann könnte ein Loch in der Deponie sein", erklärt Tezkan. An diesen Stellen muss dann zur näheren Inaugenscheinnahme gebohrt und kontrolliert werden, ob der Müll in das zu schützende Grundwasser gerät.

Um Altlast und normales Erdreich in der Visualisierung klar abgrenzen zu können, muss die Messdifferenz deutlich genug ausgeprägt sein. Unterscheidet sich die elektrische Leitfähigkeit nur bis zu einem Faktor von 1,5, ist eine Differenzierung schwierig und es muss möglicherweise auf eine alternative Messmethode zurückgegriffen werden. Dies gilt beispielsweise bei Tonschichten und Hausmüll, die beide gute Leitfähigkeiten aufweisen.

Zwar sehen die Wissenschaftler die Hauptaufgabe der neuen Methode in der Lokalisation und Eingrenzung alter Deponien, ohne dafür aufwendige, kostenintensive und langwierige Bohrungen durchführen zu müssen. Zusammen mit RMT ließen sich aber Diagnosen wesentlich verfeinern. So kam RMT bereits bei der Erkundung von Grundwassergefährdung in Dänemark zum Einsatz, eignet sich aber auch zur Lokalisation archäologischer Objekte, da Reste von Mauern oder alten Wohnhäusern sehr schlecht leitend und so leicht auszumachen sind, wobei durch die zerstörungsfreie Suche die Gefahr einer Beschädigung der antiken Gemäuer wegfällt. In Rumänien half das Verfahren, bei Raffinerien die Kontamination mit Kerosin nachzuweisen - Brennstoff ist ein schlechter Leiter. (Andreas Grote) / (sha)