ICANN bringt Mustervertrag für neue Top Level Domains

Die ICANN und die Betreiber der neuen Top Level Domains nähern sich langsam den endgültigen Vereinbarungen, die die Freischaltung der TLDs gestatten würden.

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  • Monika Ermert

Einen ausverhandelten Entwurf für die Verträge mit den offenen neuen Top Level Domains hat das Büro der Internet- und Namensraumverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Marina del Rey vorgelegt. "Wenn der Vertrag so die Zustimmung [des ICANN-Vorstands] erhält, soll er, mit vielleicht kleineren Veränderungen im Lauf der Zeit, als Vertrag für offene Top Level Domains dienen – auch solche, die in Zukunft eingeführt werden", heißt es im aktuellen Statusbericht der ICANN zum Stand der Verhandlungen. Ursprünglich sollten die Verträge zwischen den sieben im vergangenen November ausgewählten Betreibern neuer Top Level Domains bereits zum Jahresende abgeschlossen sein. Doch habe sich die Angelegenheit als "komplexer und daher langwieriger als ursprünglich angenommen erwiesen". Mit einem endgültigen Vertragsschluss vor der Tagung der ICANN in Melbourne ist vermutlich nicht mehr zu rechnen. Bei den Verhandlungen mit den Organisationen, die TLDs für bestimmte Nutzergruppen anbieten wollen (.museum, .aero, .coop) befindet sich die ICANN offensichtlich noch ganz am Anfang.

Das jetzt vorgelegte, 26 Seiten starke Dokument ist im Übrigen noch ein Text mit vielen Fragezeichen. Das Hauptdokument, der so genannte "Registry Vertrag", der für alle künftigen offenen (unsponsored) TLDs gelten soll, nimmt Bezug auf insgesamt 22 Anhangsdokumente, die je nach Art der TLD individuell ausgehandelt werden und zur Anwendung kommen. So kann etwa Afilias für .info im Gegensatz zu den drei übrigen mehr oder weniger offenen TLDs – .biz, .name, .pro – komplett auf die Anhänge verzichten, in denen es um die geplanten Beschränkungen der Registrierung und die Durchsetzung dieser Beschränkungen geht. Von den 22 Anhangsdokumenten sind bislang erst vier ausverhandelt. Beispielsweise möchte man noch einen "Code of Conduct" für die neuen Betreiber, eine Vereinbarung zum Whois, eine Liste freihaltebedürftiger Adressen oder einen Anhang zu Registrier-Preisen. Als "kleinsten gemeinsamen Nenner der bilateralen Verhandlungen zwischen ICANN und den Registraren", bezeichnet Afilias-Vorstandsmitglied Philipp Grabensee von der Düsseldorfer EPAG den Mustervertrag.

Festgelegt sind grundsätzliche Verpflichtungen der beiden Seiten, von Seiten der ICANN vor allem die zeitnahe Eintragung der von den neuen Registries vorgesehenen DNS-Nameserver beziehungsweise etwaige Veränderungen bei der Delegation. Die neuen Registries müssen ihrerseits allen von der ICANN akkreditierten Registraren gleiche Marktchancen zusichern, eine Bedingung, der zumindest .name in seiner Bewerbung widersprochen hatte. Ausführlich geht ICANN auf die Trennung von Registry und Registrarbetrieb ein und gibt damit denen Recht, die die Organisation als starke Vertretung von Registrarinteressen beurteilen. Auch bei den technischen Spezifikationen sieht der Vertrag vor, dass sie mit dem kompatibel sein müssen, was in ICANNs Registrarverträgen festgelegt ist.

ICANN hat sich mit dem Vertrag eine verhältnismäßig starke Position gegenüber den neuen Registries gesichert. Nicht nur redet die ICANN ein Wort beim Data Escrow der Registry-Daten mit und sichert sich ein Recht auf die Registrierung von bis zu 5.000 Adressen für ICANN-Organisationen. Vor allem sind genaue Bestimmungen zu einer möglichen Neuvergabe der vergebenen TLDs bis hin zur finanziellen Abwicklung der Registry-Übergabe vorgesehen. "Diese Regelungen zur Neuvergabe sind sicher nicht unbedingt in unserem Interesse", erklärt Grabensee. Die ICANN sitze aber einfach am längeren Hebel. Dass ICANN sich eine Kündigung des Registry-Vertrags beispielsweise schon für den Fall der Untreue eines einzelnen Registry-Managers vorbehält, sei zwar typisch für US-Verträge, aber weniger bedrohlich.

Außerdem müssen sich die Registry-Betreiber auch künftigen "konsensualen" ICANN-Entscheidungen unterwerfen. Wird beispielsweise der namensrechtliche und markenrechtliche Schutz – im Stil der Unified Dispute Resolution Policy (UDRP) – erweitert, müssen die neuen Registries diese Änderungen umsetzen. Die Liste der Dinge, die von der ICANN bei Bedarf neu geregelt werden können, umfasst auch technische Spezifikationen oder Bestimmungen über Sicherheit und Integrität der Registry-Datenbanken. Immerhin muss in diesem Fall im Wesentlichen ICANN etwaige rechtliche Risiken solcher Entscheidungen tragen.

Eine ganz neue Antwort gibt der Mustervertrag auch auf die Frage, wie sich ein Unternehmen gegen eine ICANN-Entscheidung zur Wehr setzen kann. Zwar sieht der Vertrag wie schon bisher die Anrufung der ICANN-internen Gremien vor, aber gerade nach den Anhörungen vor US-Kongress- und Senatsausschüssen macht der jetzige Vorschlag Sinn: Sollte es zum Streit über die Registry-Verträge kommen, sollen sich Registry-Betreiber und ICANN einem Verfahren beim Schiedsgerichtshof der International Chamber of Commerce unterwerfen. (Monika Ermert) / (jk)