Kommentar: Wer kommt und wer nicht kommt – der Fotografie-Monatsrückblick

Einmal im Monat lässt unser Autor Andreas Kesberger die Foto-Nachrichten der vergangenen Wochen Revue passieren. Dieses Mal: Photokina-Andrang und Analogfilm-Schlagabtausch.

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Kommentar: Wer kommt und wer nicht kommt – der Fotografie-Monatsrückblick

Wenn keiner spielt, bleiben nur noch Netze und Gänseblümchen.

(Bild: Andreas Kesberger)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Kesberger
Inhaltsverzeichnis

Wenn Bayern längst Meister ist, der Reifenhändler die eingelagerten Sommerreifen doch noch gefunden hat, die Kirschblüten um Fotos betteln, dann macht auch das Fußballgucken temperaturmäßig wieder Spaß. Gut gelaunt bin ich am Sonntag durch den Wald geradelt, um mir das C-Jugend-Spiel von meinem Sohnemann anzugucken. Aber die Sonne schien auch anderswo so schön, dass der Gegner keine Lust hatte, die weite Reise aus Spandau anzutreten.

Ein Kommentar von Andreas Kesberger

Andreas Kesberger ist Fotoingenieur, Autor und Geschäftsführer der Fotopioniere in Berlin. Da er sich seit seinem Studium intensiv mit fotografischen Haltbarkeitsfragen beschäftigt, dreht sich diese Kolumne allmonatlich um das, was vom aktuellen Fotomonat haltbar oder einfach nur übrig bleibt.

Also zurück geradelt und unterwegs ein paar entwurzelte Bäume fotografiert. Mein Ältester blieb da, um anderthalb Stunden später für die B-Jugend auszuhelfen. Als ich zum zweiten Mal ankam, saß der Trainer schon wieder im Biergarten. Der nächste Gegner war auch nicht erschienen. Was das hier zu suchen hat, jenseits von Vorurteilen über die Pflichterfüllung vom Berliner an sich und ganz abgesehen von der Kamera mit den nun arbeitslosen AF-Messfeldern, die ich zweimal umsonst geschleppt habe? Hmh. Hoffentlich geht es der Photokina nicht genauso und es kommt einfach keiner. Von wegen Anreise zu weit und Wetter zu schön.

Ein paar Austeller gibt es offenbar aber doch. Sonst würde die Messe jetzt nicht gerade zu einer Pressekonferenz einladen, um dann ausgerechnet am kapitulationsträchtigen 8. Mai die Jubelzahlen zu verkünden. Zumindest für dieses Jahr. Wenn man sich bei den Ausstellern umhört, klingt das für 2019 schon viel verhaltener. Das hat sich Elinchrom dann gleich ganz gespart und kommt schon diesen September nicht nach Köln. Einerseits schade und andererseits hätten die Schweizer auf der Messe bestimmt nicht so viel mediale Aufmerksamkeit bekommen wie jetzt mit der Absage. Und dabei haben sie noch Geld gespart. Wer weiß, was es in Köln kostet, auch nur den Müllsack abends am Stand abholen zu lassen, ahnt ohnehin, dass er in der falschen Branche ist.

Bis im Herbst ist ja noch viel Zeit um sich die nächsten bahnbrechenden spiegellosen Vollformatkameras vorzustellen. Es ist die Stunde des großen Gemunkels. Gerüchten zufolge verfügt die neue Nikon über ein Pentax-Bajonett, der Sensor ist ganz rund und die Objektive sind alle weiß angemalt zur Temperatursenkung. Aber wahrscheinlich habe ich da was falsch verstanden... Wie muss man eigentlich gestrickt sein, um so eine Rumors-Seite zu betreiben? Das sind doch die Typen, die auf dem Weg zur Kantine schon wissen, dass Essen B sowieso nicht schmeckt, weil die Freundin des Schwagers den Fischlieferanten kennt. Und dann gibt es vegane Hackbällchen.

Scheimpflug, just do it - ein Fachkamera-Workshop.

(Bild: Andreas Kesberger)

Aber vielleicht sind die Pixel-Bajonett-Fragen doch nicht so zentral. Derweil kultiviert sich die Gegenbewegung. Am Freitag und Samstag habe ich einen Fachkamera-Workshop gegeben. Vor zwei und vor drei Jahren haben wir die Mindestteilnehmerzahl gerade so zusammenbekommen. Letztes Jahr mussten wir absagen und dieses Jahr konnten wir plötzlich gar nicht alle Teilnehmerwünsche erfüllen. In den Pausen klang es wie in einem Bienenschwarm, nur eben fotografisch motiviert. So sehr waren sich alle am Austauschen und froh darüber, auf Gleichgesinnte zu treffen. Zum Glück kann man sich beim Thema Großformatkameras die Digital-Analog-Diskussion sparen, weil ja jeder selbst entscheiden kann, was hinten dransteckt. Okay, zugegeben, meistens entscheidet der Geldbeutel. Aber die Faszination, vor dem Fotografieren des Bildes erstmal nachzudenken und eine mechanische Kamera auf dem Stativ zu haben, die vielleicht sogar das Stativ überlebt, fasziniert offensichtlich.

Ein einziges Kommen und Gehen - Schwarzweißfilme im Jahr 2018.

(Bild: Andreas Kesberger)

Jetzt sind zehn Workshop-Teilnehmer aber keine Bewegung. Und die Objektiv-Stückzahlen, die Rodenstock pro Batch produziert, entsprechen wahrscheinlich dem, was in der Frühstückspause bei Canon vom Band fällt, wenn einer vergessen hat, die Maschine anzuhalten. Aber während ich das schreibe, kommt schon wieder jemand, um sieben Filme zum Entwickeln abzugeben. Ist das jetzt verrückt oder nur eine Berliner Blase?

Da war dieser Monat so widersprüchlich wie die Pseudo-Freundschaft von Macron und Trump. Während Fuji mit dem Acros einen der besten Schwarzweißfilme aller Zeiten und damit endgültig seine komplette Schwarzweißtradition in die grüne Tonne kloppt, stellt Kodak den T-Max 3200 wieder in die Regale (PDF) und Kühlschränke. Zumindest wenn der Händler im Keller noch seinen alten Filmkühlschrank findet. Doch wer das Korn dieses Films gesehen hat, weiß danach den digitalen Fortschritt erst wieder wirklich zu schätzen. Aber in der Frühjahrssonne steht so etwas gar nicht zur Debatte. Muss halt jeder selbst wissen, ob er nicht lieber Getränke kühlt. (msi)