Spiele-Anwalt: "Deutschland exportiert seinen Jugendschutz in die Welt"

Gewalt, Hakenkreuze, Sex mit Minderjährigen: Die Prüfer der USK achten darauf, dass Kinder und Jugendliche in Spielen keine verrohenden Inhalte zu sehen bekommen. Damit beeinflussen sie zunehmend auch internationale Publisher.

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Spiele-Anwalt: "Deutschland exportiert seinen Jugendschutz in die Welt."
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Von
  • Peter Kusenberg

Das Thema „Recht im Spielgeschäft“ war prominent platziert im Programm der Quo-Vadis-Konferenz in Berlin, denn während die Bedeutung von Social Media, Online-Vertrieb und Free-to-Play-Geschäftsmodellen zunimmt, steigt der Bedarf der Spiele-Anbieter an einer juristischen Absicherung ihrer Angebote. Der Rechtsberater der USK, Lorenzo von Petersdorff, erläuterte, dass sich in den vergangenen Jahren zusätzlich zum klassischen Prüfbereich der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) zwei weitere wichtige Arbeitsbereiche etabliert haben. So wachse die Bedeutung der Jugendschutz-Kontrolle von Online-Inhalten. Gleichzeitig nimmt die USK seit 2013 Teil am Jugendschutzsystem IARC, das unter anderem Spiele-Apps und -Streams kontrolliert. IARC steht für International Age Rating Coalition und koordiniert die Arbeit in Europa, Deutschland, Nordamerika, Brasilien und anderen Ländern. In allen drei USK-Arbeitsbereichen hat die Professionalisierung in gleichem Maße zugenommen wie Hysterie und Vorurteile verschwunden seien, sagte von Petersdorff.

Dieser Normalisierungsprozess hat dazu geführt, dass neuere Teile ehemals indizierter Serien heute ein Prüfsiegel „ab 18 Jahren“ erhalten, etwa „Dead Rising 4“, „Wolfenstein 2“ und „Killing Floor 2“. „Die Medienkompetenz hat sich verändert im Laufe der Jahre: bei den Spielern, bei den Prüfern der Gremien und bei den Anbietern, die sich rechtzeitig beraten lassen, um die Jugendschutzrelevanz zu gewährleisten“, sagte von Petersdorff. Der Rechtsanwalt Felix Hilgert von der Kanzlei Osborne Clarke ergänzt, dass auch heute noch rechtliche Konsequenzen drohen, wenn "Gewalt gegen Zivilisten dargestellt wird und diese Gewalt keine Sanktionen nach sich zieht".

Indes seien die Publisher mittlerweile genau im Bilde, welche Inhalte die USK akzeptiert und welche nicht. Die Hersteller nähmen frühzeitig Einfluss auf Entwicklungsarbeit, selbst wenn sie in Übersee statt findet. „Auf diesem Wege hat Deutschland quasi seinen Jugendschutz in die Welt exportiert", so Hilgert. Indes habe sich bislang kein Hersteller getraut, das Verbot der Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole in digitalen Spielen in Frage zu stellen. Zwar erlaubt das Gesetz Hakenkreuze in Kunst und Bildung, doch Hersteller wie Bethesda scheuen sich davor, die bisherige Praxis in Frage zu stellen, um nicht in die Geschichte einzugehen als diejenigen, die Hakenkreuze in Spielen etabliert haben, wie es Hilgert formuliert.

Gal Gun 2 bekam wegen seiner der geschlechtsbetonten Darstellung von Minderjährigen keine Jugendfreigabe von der USK.

Nicht allein die Gewaltdarstellung kann zur Verweigerung des Prüfsiegels führen, wie das aktuelle Arcade-Spiel „Gal Gun 2“ zeigt. In diesem Fall beanstandete die USK die tendenziell erotische Inszenierung offensichtlich minderjähriger Figuren, was gegen die verschärften deutschen Paragrafen 184 und 184c des Strafgesetzbuchs verstößt. Die Prüfer in den USK-Gremien monieren die „unnatürliche, geschlechtsbetonte Körperhaltung“ von Figuren, die man anhand von Accessoires wie Kuscheltieren und Schuluniformen als minderjährig erkennen könne. Anwalt Hilgert formuliert es so: „Wird dem Jugendlichen ein Gefühl vermittelt, es sei normal, sich so erotisch zu präsentieren, dann ist es jugendgefährdend.“

Komplexer seien laut von Petersdorff und Hilgert die Behandlung von Lootboxen in Spielen wie „Star Wars Battlefront 2“, denn diese kostenpflichtigen Wundertüten betreffen nicht allein das Jugendschutzgesetz, sondern ebenso Glücksspielrecht und Verbraucherschutzbestimmungen. In Belgien und den Niederlanden haben Aufsichtsbehörden das Lootbox-System von „Fifa“, „Overwatch“ und anderen Mainstream-Titeln als Glücksspiel eingestuft und verlangen von den Herstellern eine sofortige Änderung – andernfalls drohen rechtliche Sanktionen. In Deutschland ist das Lootbox-Problem in letzter Gerichtsinstanz noch nicht gelöst. Anwalt Hilgert stellt fest, dass es darauf ankomme, in welcher Form der Hersteller die Lootbox präsentiere. „Bei Kindern gilt in der Werbung eine besondere Umsicht. Ist der Inhalt der Lootbox enttäuschend, kann man dies als Irreführung ansehen.“ (hag)