DGB in Sorge vor Digitalisierung – Millionen Jobs mit Geringverdienst

Seit rund 130 Jahren begehen Gewerkschaften am 1. Mai den "Tag der Arbeit". Die Gewerkschaften sorgen sich aktuell verstärkt um die Folgen der Digitalisierung. Sieht auch die Bundesregierung eine solche Gefahr?

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CeBIT

(Bild: dpa, Marc Tirl)

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  • dpa
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Vor dem "Tag der Arbeit" am 1. Mai haben die Gewerkschaften eindringlich auf die Gefahren der Digitalisierung der Arbeitswelt hingewiesen und Regeln verlangt. DGB-Chef Reiner Hoffmann warnte am Wochenende vor "moderner Sklaverei" und einem "digitalen Proletariat". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte Handlungsbedarf ein, warb aber dafür, die Chancen der Digitalisierung wahrzunehmen.

Der technologische Wandel werde die Arbeitswelt verändern, sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. "Aber wir sollten vorrangig die Chancen sehen! Denn es wird Arbeit geben, ausreichend Arbeit geben, aber zum Teil wird sich die Arbeit sehr verändern." Gegensteuern müsse man mit Weiterbildung, der Neuausrichtung von Berufsbildern und der Anpassung von Studiengängen. Merkel bekräftigte zugleich das Ziel, bis 2025 Vollbeschäftigung zu erreichen. Auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) gab sich davon überzeugt: "Wir werden in Deutschland Vollbeschäftigung erreichen – nicht trotz, sondern wegen der Digitalisierung", sagte er der "Bild am Sonntag".

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, durch die Digitalisierung würden auch bestimmte Tätigkeiten wegfallen. Es würden aber auch neue Stellen entstehen. Die Arbeitsmarktpolitik müsse massiv auf Weiterbildung setzen. "Nie war Weiterbildung so wichtig wie heute", betonte Heil im "Tagesspiegel".

Ein Vollzeitjob bedeutet in Deutschland für viele Beschäftigte aber längst kein gutes Einkommen. Rund 3,7 Millionen Beschäftigte mit vollem Job verdienen weniger als 2000 Euro brutto im Monat, wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht. Nach jüngsten Zahlen von Ende 2016 waren dies 17,7 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in Deutschland. Im Westen betrug der Anteil 14,7 Prozent, im Osten sogar 31,2 Prozent.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch kommentierte die Zahlen mit den Worten: "Man nennt das Ausbeutung." Die Zahl der Geringverdiener sei "angesichts von sprudelnden Gewinnen und Wirtschaftswachstum skandalös".

Die DGB-Kundgebungen an diesem Dienstag stehen unter dem Motto "Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit". Im seinem Aufruf zum 1. Mai ruft der Gewerkschaftsbund zu mehr Mut in der Sozial- und Arbeitnehmerpolitik auf. Die Hauptkundgebung mit DGB-Chef Hoffmann findet in diesem Jahr in Nürnberg statt. Insgesamt finden nach Gewerkschaftsangaben bundesweit knapp 500 Veranstaltungen statt.

Der "Tag der Arbeit" am 1. Mai wird seit rund 130 Jahren von der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in aller Welt begangen. Im Mai 1886 gab es am Rand einer Streikkundgebung in Chicago Krawalle mit Toten. 1889 rief ein Internationaler Arbeiterkongress in Paris dazu auf, jährlich einen "Kampftag der Arbeiterklasse" zu feiern. Am 1. Mai 1890 gab es erstmals in Deutschland Massendemonstrationen.

Bei der Mitgliederzahl ist der DGB zuletzt unter die Sechs-Millionen-Marke gerutscht. Ende 2017 hatten die acht DGB-Gewerkschaften 5,995 Millionen Mitglieder – 52.000 weniger als 2016. Zehn Jahre zuvor waren es noch 6,44 Millionen. (bme)