Vodafone kauft Unitymedia: Neuer Kabel-Riese wirbelt die Branche durcheinander

Die Branche ist in heller Aufruhr: Vodafone will Unitymedia schlucken. Ist der neue Kabel-Riese gut oder schlecht für den Wettbewerb? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Entscheidend wird sein, was Brüssel zu sagen hat.

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Vodafone kauft Unitymedia: Neuer Kabel-Riese wirbelt die Branche durcheinander

(Bild: dpa/Montage: heise online)

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Sie machen es wirklich: Vodafone will Unitymedia und weitere europäische Kabelnetzbetreiber vom US-Kabelriesen Liberty Global übernehmen. Seit Wochen brodelt es in der Gerüchteküche, am Mittwochmorgen haben die Unternehmen den geplanten Milliarden-Deal dann bestätigt. Die deutsche Telekommunikationsbranche ist in heller Aufregung und fürchtet Wettbewerbsverzerrung. Vodafone hält das für unbegründet: „Wir sehen nicht, welcher Wettbewerb hier reduziert werden sollte.“

Telekom-Chef Tim Höttges, er die geplante Übernahme schon im Februar als "inakzeptabel" und "nicht genehmigungsfähig" bezeichnet hatte, warnt vor einer „Remonopolisierung des Kabelmarkts“ mit schwerwiegenden Folgen für den Wettbewerb auf dem Breitbandmarkt. „Hier entsteht ein Wettbewerber zur Telekom, so ein Gigant, der mit konvergenter Netztechnologie prahlt“, sagte Höttges am Mittwoch in Bonn. „Ich finde diese Transaktion wettbewerbsverzerrend.“

Vodafone-CEO Vittorio Colao hatte sich mit Höttges schon vor Wochen ein Wortgefecht geliefert, als die ersten Gerüchte über konkrete Gespräche zwischen Vodafone und Liberty Global aufgekommen waren. Auch am Mittwoch konterte Colao die harsche Kritik des Konkurrenten: „Unsere Mission war schon immer, den Wettbewerb zu schützen und mehr Wettbewerb zu wagen“, sagte Colao. „Tims Mission ist, die Dominanz der Telekom zu schützen und auszubauen."

Konsequenzen für den Wettbewerb befürchten auch die Konkurrenten der Telekom. Mit dem neuen Kabelriesen und der Telekom entstünde ein „de-facto Duopol in der Festnetzinfrastruktur in Deutschland“, kritisierte ein Sprecher von Telefónica Deutschland. Der Netzbetreiber setzt nun auf eine "genaue Analyse" der Wettbewerbsbehörden: „Falls dieser Zusammenschluss überhaupt genehmigungsfähig sein sollte, dann sicherlich nur unter entsprechend strengen Auflagen.“

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), in dem neben Telefónica zahlreiche Wettbewerber der Deutschen Telekom organisiert sind, hält eine wettbewerbsrechtliche Genehmigung der Übernahme „wenn überhaupt“ nur „unter strengen Auflagen“ für möglich. „In diesem Rahmen sollten die Kartellbehörden sicherstellen, dass – wie auch im ‚klassischen‘ Festnetz – entsprechende Vorleistungsprodukte zu fairen und diskriminierungsfreien Bedingungen angeboten werden“, fordert Breko-Chef Stephan Albers.

Schon auf dem Mobile World Congress in Barcelona hatte Höttges die mögliche Fusion vehement kritisiert.

(Bild: heise online)

Der Bundesverband Glasfaser (Buglas) fürchtet darüber hinaus einen Dämpfer für den Glasfaserausbau. „Die mit einer Fusion verbundenen Größenvorteile würden die Wirtschaftlichkeit des überwiegend regionalen Ausbaus der Gigabit-Netze ernsthaft gefährden“, kritisiert Buglas-Chef Wolfgang Heer. Der Buglas sieht die Breitbandziele der Bundesregierung gefährdet. Die geplante Übernahme sei "ordnungspolitisch verfehlt" und "nicht genehmigungsfähig", heißt es in einem Schreiben des Verbands an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Solchen Bedenken der Wettbewerber trat Vodafones Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter am Mittwoch entgegen: „Überall dort, wo wir in Glasfaser und Kabel investieren, folgen andere Unternehmen mit Investitionen nach.“ Den Kritikern entgegnet Vodafone, dass es "den Kabelmarkt" nicht gebe: „Da sich die Kabelnetze von Vodafone und Unitymedia nirgendwo überlappen, sehen wir nicht, welcher Wettbewerb hier reduziert werden sollte“, erklärt Christoph Clément, Mitglied der Geschäftsleitung.

Vodafone lenkt den Blick auf den Breitbandmarkt: Hier beherrsche die Telekom auch über 20 Jahre nach der Liberalisierung noch 75 Prozent der Kundenanschlüsse, betont Clément unter Verwies auf eine Marktstudie des Netzbetreiberverbands VATM. Unitymedia und Vodafone zusammen kämen bei dieser Betrachtung auf 21 Prozent.

Die Gefahr eines TV-Monopols hält Vodafone für nicht gegeben. „Mit 46 Prozent ist Satellit seit langem die meist verbreitete Infrastruktur“, rechnet Clément vor. „Vodafone und Unitymedia kämen mit einem vereinten Kabelnetz auf einen Marktanteil von 37 Prozent.“ Auch die Bedenken hinsichtlich der Wohnungswirtschaft sucht Vodafone mit Hinweis auf die bisher getrennten Netze zu zerstreuen. „Ein Wettbewerb zwischen den Kabelnetzen existierte nie“, betont Clément.

Auch der ehemalige Chefregulierer Matthias Kurth, nun in Diensten des europäischen Kabelnetzbetreiberverbands Cable Europe, hält die Befürchtungen hinsichtlich der deutschen Kabel-Fusion für unbegründet. „Auf dem entscheidenden Endkundenmarkt für Breitbandzugänge und Paketangebote von Breitband und Mobilfunk könnte sich der Wettbewerb eher intensivieren“, sagte Kurth der dpa.

Auch Verbraucherschützer können der Fusion etwas abgewinnen. „Starker Wettbewerb gegen die Telekom ist für uns als Verbraucherschützer wünschenswert“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Rheinischen Post. Wichtig sei aber auch, dass genau geprüft werde, ob Vodafone künftig verpflichtet werden könne, seine Infrastruktur für andere Anbieter zu öffnen Diese Prüfung müssen nun die Behörden übernehmen.

Die Bundesnetzagentur hat bereits angekündigt, sich mit dem Kabelnetz befassen zu wollen. Angesichts der Umsatzstärke der beteiligten Unternehmen ist wettbewerbsrechtlich zunächst die EU-Kommission am Zug. Brüssel könnte die Prüfung dem Bundeskartellamt überlassen, wenn es um ausschließlich deutsche Belange geht. Danach sieht es allerdings nicht aus, weil Vodafone von Liberty Global auch Kabelnetze in Rumänien, Ungarn und der Tschechischen Republik übernehmen will. Die Entscheidung wird also voraussichtlich in Brüssel fallen – und das kann noch ein bisschen dauern. (vbr)