Geliebte in der Dose

Ein japanisches Start-up hat eine holografische Figur entwickelt, die dem Besitzer als virtuelle Freundin dienen soll. Die erste Serie dieser Gatebox war im Nu ausverkauft.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Roland Fischer

Tokio. Diese Stadt ist ein Moloch. Eine Vereinzelungsmaschine. So jedenfalls die simple Lesart. Und weil sie so einsam sind hier, weil es kaum Gelegenheiten gibt, sich kennenzulernen und zu verlieben, greifen Männer auf einen technischen Behelf zurück: holografische Freundinnen, klein und handlich genug für die Kommode zu Hause. Dort warten sie dann den ganzen Tag geduldig in ihrem Glaszylinder und schicken vielleicht mal eine SMS, um sich zu erkundigen, wie es dem „Meister“ im Büro so geht, und wann er gedenkt, nach Hause zu kommen. Wenn er dann aus dem Bus steigt, schalten sie schon mal das Licht an, damit seine Wohnung nicht so furchtbar verlassen aussieht.

Zwar sind längst nicht alle japanischen Großstädter von der Idee einer virtuellen Gefährtin begeistert. Es gibt auch das andere Tokio. Dessen Bewohner haben ein echtes Leben. Wenn man sie auf die Gatebox anspricht, dann lachen sie nur milde über die Nachbarn und Kollegen, die gern in Fiktionen leben, in Games und Mangas. Akihiko Kondo aber liebt Hatsune Miku, die Manga-Kunstfigur, die einige Berühmtheit als erster virtueller Popstar erlangt hat. Der 34-Jährige hat keine Freundin. Wenn man Kondo nach seiner Beziehung zu Hatsune fragt, die gerade lässig ihre Beine im Glaszylinder baumeln lässt, und danach, wie die Leute auf diese ein wenig seltsame Liebesgeschichte reagieren, dann gibt er zu, dass er natürlich noch schief angeschaut werde. „Aber die Leute werden bald auch solche neuen Beziehungsformen akzeptieren“, hofft er. Irgendwann werde er Hatsune Miku sogar ins Restaurant mitnehmen können, vielleicht dank einer Holobrille. Die Vorstellung, dass er dann gewissermaßen Gespenster sehen würde, stört ihn kaum – dass Menschen mit Figuren zusammenleben werden, die es nur für sie gibt, werde ganz normal werden.

Kondos neue Begleitung ist seit einem guten halben Jahr auf dem Markt, richtig intelligent ist sie aber noch nicht. Unterhaltungen mit Hatsune Miku sind nicht viel mehr als simple Stichwortabfragen. „Konichiwa“, sagt Kodo-San. „Konichiwa“, klingt die hohe Stimme zurück, und die Figur winkt fröhlich. „Liebst du mich?“, fragt er. „Aber ja, ich liebe dich sehr!“, flötet sie, eigenartigerweise begleitet von einer bis in die Zehenspitzen durchgestreckten High-Five-Geste. Mitunter variieren die Reaktionen ein wenig, aber es ist rasch klar, was da in dem kleinen Gatebox-Figurenhirn – beziehungsweise auf den Servern von Gatebox – vor sich geht: Eine einigermaßen fixe Spracherkennungssoftware horcht auf bestimmte Schlüsselwörter und löst dann eine dazu passende Videosequenz aus. Im Allgemeinen ist das Fräulein vor allem beeindruckt von ihrem „Meister“. Wenn ihr sonst nichts einfällt, sagt sie sehr oft: „Du weißt aber viel!“

(wst)