Die Regenmacher von Tibet

Chinas Regierung hat alles im Griff, selbst das Wetter. Chemikalien sollen nun Niederschläge ins Hochland bringen.

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Von
  • Michael Radunski

Als Anfang September 2015 in Peking mit einer riesigen Militärparade der 70. Jahrestag des Sieges über Japan gefeiert wurde, herrschte in der sonst smoggeplagten Hauptstadt tagelang ein strahlend blauer Himmel. Mit Flugzeugen und Raketen hatte man Silberjodid-Partikel in die Wolken um Peking geschossen – und so für einen wolkenlosen Himmel zur Parade gesorgt. Am Tag danach war der Smog zurück.

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Doch China hat nicht nur ein Smog-Problem, es leidet vor allem im Norden unter starkem Wassermangel. Deshalb will die Volksrepublik nun ihre Wettermanipulationen ausdehnen auf ein Gebiet, das insgesamt so groß ist wie Spanien, Frankreich, Portugal und Italien zusammen. Zehntausende Öfen sollen am Ende auf dem tibetischen Hochland Silberjodid in den Himmel pusten und so die dortigen Wolken zum Abregnen oder Schneien bringen – gesteuert von der chinesischen Raumfahrt- und Technologiebehörde CASC.

Rund 500 Öfen sind offensichtlich schon im Einsatz. Sie stehen auf möglichst steilen Graten, damit die Partikel durch die gebirgstypischen Aufwinde in die Wolken getragen werden. Ein einzelner Ofen soll einen fünf Kilometer langen Wolkenstreifen zum Regnen bringen. Insgesamt will man so zusätzliche zehn Milliarden Kubikmeter Wasser gewinnen. Das entspreche etwa sieben Prozent des jährlichen Wasserverbrauchs in China.

CASC-Wissenschaftlern zufolge sollen die Geräte monatelang ohne Wartung oder Kontrolle funktionieren. Im Vergleich zum Einsatz von Raketen und Flugzeugen wäre dies eine günstige Alternative: Bau und Installation eines Ofens sollen rund 8000 Dollar kosten. Bisher verschlingt es schon Hunderttausende Dollar, auch nur kleine Gebiete künstlich zu beregnen. Die CASC beteuert, dass die Öfen zusätzlich lediglich Dampf und Kohlendioxid ausstoßen und somit auch im sensiblen Ökosystem Tibets keinen Schaden anrichten. Das Silberjodid scheint nach dem aktuellen Stand der Forschung nicht umweltschädlich zu sein.

Was die CASC aber weniger gern sagt: Ein Nachweis, wie viel Regen durch eine "Wolkenimpfung" tatsächlich erzeugt wird, steht noch aus. Die Richtung des Windes, die Beschaffenheit der Wolke oder auch atmosphärische Bedingungen – all das sind entscheidende Einflussfaktoren. Und wenn es tatsächlich funktionieren sollte, geht das Projekt zulasten anderer Regionen. "Eine solche Wettermodifikation erzeugt keinen neuen Regen, sondern verschiebt lediglich den Niederschlag von einem Ort an den anderen. Regnet es über Tibet, fehlt die Feuchtigkeit anderswo", warnt Janos Pasztor von der in New York ansässigen Carnegie Climate Geoengineering Governance Initiative.

Verstärkter Niederschlag über den Richtung China fließenden Flüssen in Tibet könnte also dazu führen, dass weniger Regen für die Quellen anderer Flüsse übrig bleibt – mit Folgen für die gesamte Region. Denn auf dem tibetischen Hochplateau entspringen die größten Flüsse Asiens und versorgen anschließend Millionen Menschen mit Wasser – nicht nur in China, sondern auch in Indien, Nepal, Bangladesch, Laos oder Myanmar. Das führe direkt zu politischen Risiken, meint Joshua Horton von der US-amerikanischen Havard Kennedy School of Geo-Engineering. "Die Verbindung der Raumfahrtbehörde mit dem chinesischen Militär ist problematisch, vor allem bei einem Projekt in Tibet, um das es immer wieder territoriale Streitigkeiten zwischen Indien und China gibt."

(bsc)