Kein Kostenanspruch für "Explorer"-Abmahnungen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf sieht in den Abmahnpraktiken sogar "deutliche Berührungspunkte zum Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs".

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Im Streit um Abmahnpraktiken gegenüber privaten Homepage-Betreibern hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf den Abmahnern einen kräftigen Dämpfer erteilt: Ein Erstattungsanspruch für Anwaltskosten besteht nicht, wenn die vorprozessuale Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich war. Das geht aus der schriftlichen Urteilsbegründung zum Fall Strieder gegen Symicron hervor, die jetzt vorliegt.

Die Krankenschwester Ulrike Strieder war von der Symicron GmbH, Inhaberin der Marke "Explorer", abgemahnt worden, weil sie auf ihrer privaten Homepage das Programm "FTP-Explorer" zum Download angeboten und mit der Benutzung des Namens eine Markenverletzung begangen habe. Strieder verpflichtete sich zur Unterlassung, weigerte sich aber, Anwaltskosten in Höhe von 1633,80 Mark zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen, die ihr der Anwalt der Symicron, Günter Freiherr von Gravenreuth, in Rechnung gestellt hatte.

Der Senat entschied, dass Strieder die Anwaltskosten nicht bezahlen muss. Es sei in der Verhandlung unwidersprochen von etwa 80 gleich gelagerten Fällen die Rede gewesen, die mit Hilfe von Suchmaschinen ermittelt wurden und zu Serienabmahnungen geführt hätten. "Ein derartiges 'Massengeschäft' erfordert auch im Bereich des Markenrechts nicht die Einschaltung eines Rechtsanwalts", so die Richter. Da unstreitig Abmahnschreiben mit Textbausteinen verwendet wurden, hätte Symicron ohne weiteres einen Musterbrief verwenden können, "dann würden als zu ersetzende Kosten regelmäßig nur die reinen Portokosten und Kosten für Papier etc. entstehen".

Das Gericht ging sogar noch weiter: Da es sich bei Symicron um ein Software-Haus handelt und Strieder über einen Internet-Anschluss mit E-Mail-Adresse verfügt, "könnte die Abmahnung per E-Mail praktisch kostenlos erfolgen". Damit könne Symicron ihre markenrechtliche Position eben so gut wahren. Die Richter wiesen darauf hin, dass sich Symicron gemäß §670 BGB "am Interesse der Abgemahnten" zu orientieren habe sowie daran, "ob und inwieweit die Aufwendungen für die Abmahnung angemessen sind und in einem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts und zum angestrebten Erfolg stehen".

Aufgrund des geschilderten Sachverhalts bestehen nach Auffassung des Gerichts sogar "deutliche Berührungspunkte zum Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs". Wer unnötige Anwaltskosten für Abmahnungen veranlasse, setze sich dem Verdacht aus, dass er daraus "eine selbständige Einnahmequelle für sich selbst oder für einen nahestehenden, mit ihm zusammenwirkenden Anwalt" machen wolle. Wo die Rechtsverfolgung missbräuchlich ist, kann selbstverständlich kein Aufwendungsersatz verlangt werden, befand das Gericht.

Wegen der Benutzung des Namens "Explorer" hat Symicron unzählige Unternehmen und Website-Betreiber abgemahnt oder verklagt. Bereits vor 1995, als mit dem "Windows Explorer" von Microsoft eines der populärsten Softwareerzeugnisse mit diesem Namensbestandteil auf den Markt gelangte, will die Firma die Bezeichnung als Software-Titel verwendet und damit ältere Rechte erworben haben. Der einzige bisher bekannte Beleg dafür erscheint jedoch fragwürdig. Zwar führte Symicron im Februar dieses Jahres in kleinem Kreis ein Programm vor, das den Schriftzug "inkl. Explorer" auf den Bildschirm brachte, konnte dadurch aber selbst bei den eingeladenen Zeugen die Zweifel nicht ausräumen. (pmz)