The winner takes it all

Die Versprechungen der Blockchain ähneln denen des Internets in den Neunzigern. Wird es bei der Krypto-Wirtschaft auch genauso weitergehen?

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Dienstag war ich auf einer interessanten Gesprächsrunde über Krypto-Währungen. Ein zentrales Schlagwort dabei war „dezentral“: Durch ihre verteilte Architektur könnten Blockchains alle Menschen zur Teilhabern machen, die Oligopole der Banken brechen und die staatliche Kontrolle sowieso.

Das klang verdächtig nach dem, was sich Idealisten in den Neunzigern vom Internet versprochen haben. Heute dominieren die „Big Five“: Amazon, Apple, Google, Facebook, Microsoft. Und auch der Bitcoin war zeitweise stark dominiert von wenigen chinesischen Minern.

Die Blockchain-Fraktion in der Gesprächsrunde war sich trotzdem sicher, dass Kryptowährungen nicht den gleichen Weg nehmen werden – erstens wegen des Wettbewerbs der Kryptowährungen untereinander, zweitens wegen technischer Ansätze, welche die Teilhabe erleichtern.

Ich bin beiden Argumenten gegenüber skeptisch. Fangen wir an mit dem Wettbewerb der Kryptowährungen untereinander: Sie alle haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Doch zu glauben, die technisch Beste werde sich automatisch durchsetzen, ist naiv. VHS war bekanntlich nie das Beste aller Videosysteme, und WhatsApp nie der beste Messenger. Trotzdem haben sie sich durchgesetzt. Und gerade für Zahlungsmittel ist es wichtig, möglichst breit akzeptiert zu werden. Die alte Plattform-Regel „The winner takes it all“ ist nirgendwo so berechtigt wie bei Zahlsystemen.

Nehmen wir also an, mit der Zeit erwächst aus dem derzeitigen Zoo eine dominante Kryptowährung (die wahrscheinlich nicht Bitcoin sein wird): Dann bleibt immer noch die Hoffnung, dass sie auf einem breiten, bunt durcheinandergewürfeltem Netz privater Server laufen wird, und nicht auf den Datencentern von Großkonzernen. Wie berechtigt ist diese Hoffnung?

Meines Wissens besteht zwischen Effizienz und Sicherheit ein Zielkonflikt, den bisher keine Kryptowährung lösen konnte. Geht es um maximale Effizienz, sind geschlossene („permissioned“) Netze von Vorteil. Hier muss es aber eine zentrale Instanz geben, welche die einzelnen Knoten zulässt. Größtmögliche Sicherheit hingegen verlangt nach aufwendigen Proof-of-Work-Mechanismen, die durch Skaleneffekte wiederum große Player bevorzugen, die sich günstiger Strom oder Hardware beschaffen können. Selbst wenn die Zuteilung von Blöcken zum Beispiel zufällig und nicht mehr nach größter Rechenleistung geschieht – wer mit sehr vielen Servern dabei ist, kann seine Chancen erhöhen.

Meine Prognose: Der Blockchain wird es gehen wie Voice over IP. Das machte schließlich auch mal Hoffnung, sich von den großen Telefonprovidern abnabeln zu können. Heute werden die Gespräche im Hintergrund längst per VoIP abgewickelt, aber die meisten Nutzer haben immer noch einen Vertrag mit der Telekom oder Vodafone. Auf das Finanzwesen übertragen bedeutet das: Die Banken haben einen guten Magen; sie werden sich die Blockchain einverleiben, um ihre eigenen Prozesse effizienter zu machen. Das muss nichts Schlechtes sein, ist aber weit von der Utopie entfernt, wonach die Blockchain die ganze Welt besser machen soll.

(grh)