Ist nur die Zahl der Organspender das Problem?

Die Zahl der Menschen mit Organspender-Ausweis steigt zwar stetig. Trotzdem sank die Zahl der Menschen, die 2017 tatsächlich zum Organspender wurden, auf einen Tiefpunkt. Nun tut Abhilfe not.

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  • Inge WĂĽnnenberg

Anfang Juni gilt es, den Tag der Organspende zu zelebrieren. Doch Deutschland kann auf diesem Gebiet im internationalen Vergleich kaum mithalten. "Während Patienten hierzulande durchschnittlich sechs Jahre auf eine Niere warten, sind es in Österreich nur 18 Monate und in Spanien sogar nur 12 Monate", berichtet Harald Klüter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, in einem Beitrag der Ärztezeitung. Das führte im Jahr 2017 zu einem Negativrekord von nur 797 Organspendern, obwohl inzwischen 36 Prozent der Bundesdeutschen über einen Organspendeausweis verfügen. 2012 waren hierzulande nur 22 Prozent der Bürger im Besitz eines Ausweises – trotzdem lag die Zahl der Spender noch bei 1046.

Deshalb scheint es nicht die alleinige Lösung zu sein, nur die Zahl der Spender zu erhöhen. Derzeit überbieten sich die Politiker zwar mit Vorschlägen und Strategien: Heiner Garg (FDP), Gesundheitsminister von Schleswig-Holstein, hatte zum Beispiel die Idee, die Deutschen beim Ausstellen von behördlichen Dokumenten zu einer eindeutigen Zustimmung oder Ablehnung zu zwingen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dagegen hält sich ein wenig bedeckt. Er kündigt für die Zeit nach der Sommerpause zwar einen Entwurf an, wie die Ärztezeitung schreibt. Doch mit welchen Maßnahmen er auf den Organmangel reagieren will, bleibt offen.

Effektive Abhilfe würde auf den ersten Blick das neuerdings in den Niederlanden praktizierte Verfahren versprechen, das bereits im TR-Blog Thema war. Diese sogenannte Widerspruchslösung bevorzugen etwa auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und Frank Ulrich Montgomery. Der Präsident der Bundesärztekammer hält eine solche Lösung für einen "Idealfall", denn bei den niederländischen Nachbarn ist inzwischen jeder Organspender, es sei denn, er verweigert aktiv seine Zustimmung.

Trotzdem bleibt dabei die Frage ungelöst, ob allein die Spendenbereitschaft der Deutschen das Problem ist. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) beschäftigt sich schon seit Längerem mit der Problematik. Diese sei zwar vielschichtig, heißt es in einer Pressemitteilung vom Januar, aber einen zentralen Schlüssel zur Verbesserung sehe man in der konsequenten Berücksichtigung des Willens zur Organspende während der Behandlung am Lebensende: "Auf den Intensivstationen müssen die Ärzte mögliche Spender erkennen und die Koordinierungsstelle informieren", fordert die DSO. Denn Auswertungen hätten gezeigt, "dass bei Therapieentscheidungen am Lebensende die Organspende teilweise nicht in Betracht gezogen wird". Eine Herausforderung sieht die Organisation auch in Patientenverfügungen, die in punkto Organspende keine klare Regelung enthielten.

Obendrein sieht die DSO in der "zunehmenden Arbeitsverdichtung und -belastung auf den Intensivstationen zusätzliche Hürden für die Organspende". Auch Bundesgesundheitsminister Spahn sagte der Webseite der Pharmazeutischen Zeitung zufolge, die Bundesregierung wolle Transplantationsbeauftragte in den Kliniken stärken und die Vergütung so verbessern, dass sich die Krankenhäuser wirklich um dieses Thema kümmerten. Ob mehr Geld allerdings tatsächlich zu den geeigneten Lösungen für dieses Problem zählt, bleibt ungewiss. Nach all den Skandalen gerade in Zusammenhang mit Transplantationen sollte man den Spendern und ihren Angehörigen nicht das Gefühl vermitteln, die Motivation der Ärzte werde allein von einem ordentlichen Honorar beflügelt.

(inwu)