TK-Überwachung: Wirtschaftsminister rudert zurück

Nach harscher Kritik der Internet-Branche will Bundeswirtschaftsminister Werner Müller den Entwurf einer neuen TK-Überwachungsverordnung noch einmal "ergebnisoffen diskutieren".

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Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hat nach massiven Protesten von Branchenverbänden, Datenschützern und Bundestagsabgeordneten an der geplanten Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) Einlenken signalisiert und sucht nun einen erweiterten Dialog mit der Wirtschaft. Die gesamte Angelegenheit will Müller mit allen Beteiligten noch einmal "ergebnisoffen diskutieren", wie aus seinem Hause zu erfahren war. Die Ankündigung wurde von den TK-Anbietern verhalten positiv aufgenommen, während sich die noch aus dem Bundespostministerium stammenden Abhörspezialisten des Wirtschaftsministeriums von der neuen Linie vollkommen überrascht zeigten.

Auslöser für den Gesinnungswandel war der scharfe Wind, der dem Minister am Dienstag bei einem Spitzengespräch über die im vergangenen Jahr gestartete "Partnerschaft sichere Internet-Wirtschaft" in Berlin entgegenblies. Vor allem der Verband der deutschen Internet-Wirtschaft eco sowie der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) hatten das Treffen und eine Lobbyveranstaltung im AOL-Haupstadtbüro am Abend zuvor genutzt, um ihre Vorwürfe gegen die kostspieligen Abhörpläne der gesamten Telekommunikation einschließlich des E-Mail-Verkehrs zu verschärfen.

Harald Summa von eco kündigte an, dass die immensen Kosten für die Technik – allein der Provider Uunet rechnet mit 60 Millionen Mark für die Nachrüstung – an die Verbraucher weitergegeben werden müssten und das Surfen so teurer werde. Für die Internetanbieter Partei ergriffen hat auch eine Gruppe von acht Bundestagsabgeordneten unter der Führung des SPD-Netzexperten Jörg Tauss, die in einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder vor einem Providersterben warnt und zu Bedenken gibt, dass sich Rot-Grün aufgrund der aus dem Verordnungsentwurf ablesbaren technischen Inkompetenz lächerlich machen würde.

Anderer Meinung sind die Justizminister der Länder, die sich bis zum gestrigen Mittwoch auf ihrer 72. Konferenz in Trier berieten. Dort wurde in einem Sitzungspapier zunächst bemängelt, dass man bisher nicht zu den Beratungen über die TKÜV hinzugezogen worden sei, obwohl bei der Telekommunikationsüberwachung "Länderinteressen entscheidend betroffen sind".

Die Minister zeigten sich unglücklich über einige Einschränkungen, die der im Februar veröffentlichte TKÜV-Entwurf gegenüber seiner ersten Version aus den alten Tagen der schwarz-gelben Koalition enthielt. So forderten sie beispielsweise, dass die Verpflichtung zum Bereithalten der technischen Schnittstellen zumindest "ab einer gewissen Größe" auch auf "geschlossene Netze, etwa in Unternehmen," auszuweiten sei.

Zudem sind den Justizministern die Fristen bis zum Start einer Lauschmaßnahme zu lang. Generell komme den in § 12 geregelten "Eilfällen" besondere Bedeutung zu. In diesen Fällen müssen Verpflichtete innerhalb einer Sechs-Stunden-Frist mit dem Datensammeln beginnen. Die Zeitspanne solle, so die Minister, noch "abgekürzt werden". Geht es nach den Landesministern, müssen die unfreiwilligen Gehilfen der Strafverfolger in Zukunft "sofort" nach dem Erhalt einer Eilanordnung per Fax "mit der Vorbereitung der Umsetzung der Überwachungsmaßnahme beginnen". (Stefan Krempl) / (hob)