Post aus Japan: Biometrie, die ins Ohr geht

Nippon ist Pionier bei der automatischen Identifizierung von Personen. Fünf der führenden Anbieter biometrischer Systeme kommen von der Insel. Die denken sich immer neue Ideen aus.

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Von
  • Martin Kölling
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Der japanische Technikkonzern Fujitsu feiert gerade ein ganz besonderes Jubiläum. Eine Million Handvenenscanner hat der Konzern inzwischen verkauft, die in 60 Staaten 73 Millionen Menschen einfach durch Handauflegen identifizieren. Die Person muss nur kurz ihre Hand über einen Infrarotsensor halten. Und schon erkennt das System an der einmaligen Verteilung der Venen in der Handfläche, ob es dem Menschen Zugang zum Geldautomaten, Computer oder anderen Geräten wie Diensten gestattet.

Die Fortschritte bei der Miniaturisierung sind eindrucksvoll. Seit ein paar Jahren sind die Scanner so klein, dass sie selbst in Notebooks passen. Damit können Nutzer ihre Geräte besser sichern als mit Fingerabdruckscannern oder Gesichtslesern. Denn einen dreidimensionalen Handvenenscan zu kopieren dürfte so gut wie unmöglich sein, während sich Fingerabdrücke einfacher scannen lassen und das Internet von Geschichten bevölkert wird, wie Nutzer die Gesichtserkennung ihrer Smartphones ausgetrickst haben.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Doch auch Venenscanner sind nicht der letzte Schrei. In der allseits vernetzten Welt geht der Trend dorthin, die eigene Identität durch mehrere Faktoren zu bestätigen. Viele Dienste fragen nicht nur ein Passwort ab, sondern senden ihren Nutzern zusätzlich bei Mail oder SMS einen Zahlencode zu, den Nutzer eingeben können. Und auch biometrische Daten können mehrfach abgerufen werden, um die Sicherheit zu erhöhen. Denn inzwischen werden viele verschiedene Verfahren erprobt – und Japan ist einer der wichtigsten Forschungsstandorte weltweit.

Zwei der fünf führenden Unternehmen, die den Körper als Identifikator benutzen, sitzen laut einer Marktstudie in Japan. Der zweite Großanbieter neben Fujitsu ist der Technikkonzern NEC, der jahrelang Tests für Gesichtserkennung gewinnen konnte. Doch eine Vielzahl anderer kleinerer Anbieter ist ebenfalls seit Jahren aktiv. Und neue Firmen drängen in den Markt, darunter auch Riesen wie Panasonic, dessen Gesichtserkennung zuletzt NECs in einem amerikanischen Tests überholte.

Geradezu uralt ist die Idee, Menschen an ihrem Gang zu erkennen. Dies wurde schon vor Jahren in Japan demonstriert. Derzeit werden allerdings vor allem andere Techniken verfeinert. Eine ist die Stimmerkennung. Doch NEC ist besonders auf einen neuen Erfolg stolz: die Iris-Erkennung.

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Die Iris des menschlichen Auges gilt als gute Methode, einen Menschen über fast alle Lebensstadien zu identifizieren. Denn ihre Struktur verändert sich offenbar nach dem zweiten oder dritten nicht mehr. Ende April hat NEC hat nun mitgeteilt, dass das hauseigene System im Test des amerikanischen Instituts für Standards und Technik (NIST) unter 13 Systemen den ersten Platz erringen konnte. Die Trefferquote lag bei immerhin 99,33 Prozent.

Ein anderer Bereich hat mich allerdings ganz besonders fasziniert, die Erkennung eines Menschen an seinem Hörkanal. Dazu sendet ein Ohrhörer einen Ton aus, der vom Ohrkanal reflektiert wird. Ein Sender fängt das Echo auf und interpretiert es. Das Muster unterscheidet sich von Mensch zu Mensch.

Damit ist dieses System dafür geeignet, dauerhaft die Identität von Menschen zu bezeugen. Dies ist beispielsweise hilfreich bei Sicherheitskräften. Nur litt die Technik bisher darunter, dass der Mensch den Messton hören konnte. NEC nutzt nun neuerdings einen Ton im nichthörbaren Frequenzbereich, laut Angaben des Unternehmens zwischen 18 und 48 kHz.

Wenn ich mir diese modernen Möglichkeiten anschaue, wundere ich mich allerdings über die traditionelle analoge Mehrfaktoridentifizierung bei meiner Bank. Sicher gibt es am Geldautomaten auch Handvenenscanner. Aber ich habe noch nie gesehen, dass ein Kunde sie nutzt.

Stattdessen reichen zum Besiegeln von Transaktionen am Schalter nach wie vor mein Führerschein oder Ausländerkarte und mein spezieller, bei der Bank registrierter Namensstempel.

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