Post aus Japan: Was tun mit Nippons Plutonium?

Die Entspannung zwischen Nord- und Südkorea erhöht den Druck auf Japan, endlich seinen wachsenden Nuklearberg abzubauen.

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Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

US-Präsident Donald Trump hat bisher viele diplomatische Traditionen über den Haufen geworfen. Doch an einem Punkt wirkt ein altes Unbehagen der US-Strategen mit seinem Verbündeten Japan weiter, beim Plutonium. Pünktlich vor der automatischen Verlängerung des nuklearen Kooperationsabkommens mit den USA forderte der amerikanische Sicherheitsrat Japans Regierung auf, endlich seinen wachsenden Berg an Plutonium abzubauen. Und der Ruf verhallte nicht ungehört: Die Regierung beeilte sich, in der Ende des Monats fälligen neuen Energiestrategie wenigstens noch eine Absichtserklärung einzufügen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Die Eile der japanischen Regierung unterstreicht die Brisanz des Problems. 47 Tonnen Plutonium besitzt Japan, genug für 6000 Atomwaffen von der Größe der Bombe, die 1945 die japanische Stadt Nagasaki zerstört hat. Davon sind zehn Tonnen im eigenen Land gelagert, der Rest in Frankreich und Großbritannien. Denn als einer der wenigen Nichtatomwaffenstaaten darf Japan Brennstäbe aufbereiten und Plutonium aufhäufen. Anders als Südkorea haben die USA Japan sogar den Bau einer eigenen Wiederaufbereitungsanlage gestattet, die nach mehr als zehn Jahren Verzögerung eigentlich diesen Herbst den Betrieb aufnehmen sollte.

Doch angenehm war den USA der Gedanke nie, dass Japan den gefährlichen Stoff aufhäufte. Zwar gaben die Amerikaner dem Plutoniumprogramm Japans die Initialzündung, als sie in den 1960er Jahren 300 Kilogramm des radioaktiven Materials an ihren Verbündeten abgaben. Doch schon vor 40 Jahren versuchten die USA massiv, Japan die Wiederaufbereitung auszureden. Dies zeigen freigegebene amerikanische Dokumente.

Schon damals widerlegten sie die Mythen von Japans Vision, durch die Entwicklung eines atomaren Brennstoffkreislaufs das Land unabhängig von Energieimporten machen zu können. Sowohl die Brütertechnik als auch die Verwendung von Plutonium-haltigen Mischoxid-Brennelementen (Mox) seien zu teuer, argumentierten sie. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Mox-Elemente sind noch immer zehn Mal teurer als Brennstäbe mit Uran. Dafür treibt Chinas und Nordkoreas Aufstieg zu Atommächten einen anderen Angstfaktor nach oben, die weitere Verbreitung von Atomwaffen, sprich eine atomare Aufrüstung Japans.

Bei den Nachbarn wird Japans Plutoniumberg daher besonders kritisch beäugt. Denn China sowie Nord- und Südkorea wittern hinter der Liebe zu Plutonium die Absicht, dass Japan sich vielleicht doch noch atomar bewaffnen will. Auch westliche Experten warnen in den letzten Jahren immer lauter, dass dies passieren könnte, wenn Nordkoreas atomare Aufrüstung auch Südkorea zur Atombombe greifen ließe.

Japan weist solche Vermutungen zwar weit von sich. Nur schüren Politiker die Sorgen. Offiziell steht der Beschluss der drei nichtnuklearen Prinzipien von 1967 felsenfest, nach der Japan weder Atombomben besitzen, produzieren, besitzen noch ins Land lassen will. Zudem ist die Bevölkerung strikt gegen eine atomare Bewaffnung, zu tief sitzt die Erinnerung an die zwei atomaren Angriffe der USA auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945. Aber besonders auf konservativer Seite wird immer erklärt, dass das Land das Wissen behalten sollte, notfalls doch eine eigene Atomstreitmacht zu entwickeln. Die Angst, dass die USA unter Trump den asiatischen Verbündeten den Rücken kehren, dürfte diese Stimmen noch stärken.

Doch auch heimische Entwicklungen setzen die Regierung unter Druck, das Plutoniumproblem anzugehen. Erstens hat die Atomkatastrophe von Fukushima auch die Idee geschmolzen, Mox-Elemente in vielen Atomkraftwerken einzusetzen. Von ursprünglich 54 Meilern sind derzeit neun wieder am Netz. Und nur vier sind Mox-fähig. Zweitens hat die Regierung nun auch den Schnellen Brüter Monju gestoppt, der die Brütertechnik erproben sollte. Denn nach einem schweren Natriumbrand im Jahr 1995 war er nie wirklich in Betrieb.

Doch der Abbau des toxischen Bergs sei einfacher gesagt als getan, meint die Wirtschaftszeitung Nikkei. Nicht nur warnt die Zeitung, dass die Bevölkerung Widerstand gegen die nun notwendigen Mox-Transporte von Stromkonzernen ohne zu Betreibern mit Mox-fähigen Reaktoren leisten könnte. Auch müsse wohl die Leistung der Wiederaufbereitungsanlage im nordjapanischen Rokkasho gedrosselt werden, um weniger Plutonium neu zu produzieren als verbraucht wird. Den Stromkonzernen drohen damit weitere Milliardenverluste und Rokkasho vielleicht sogar mittelfristig das Aus.

Bald muss sich Japans Regierung daher wohl ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, wo der radioaktive Müll denn endgültig vergraben werden soll. Nur eines hat Regierungschef Shinzo Abe ausgeschlossen: einen endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie. So sorgte die Regierung dafür, dass auch die neue Energiestrategie an Abes altem Ziel festhält, bis 2030 den Atomstromanteil wieder auf 20 bis 22 Prozent zu erhöhen. In der ersten Sitzung des Expertenrats sei der Wirtschaftsminister aufgetreten und habe klargestellt, dass die Experten die Ziele nicht verändern dürften, erinnert sich Ratsmitglied Takeo Kikkawa von der Tokyo University of Science.

Doch der amerikanische Atomexperte Frank von Hippel von der Princeton-Universität ist so optimistisch wie seit Jahrzehnten nicht mehr, dass Japans Atompolitik sich verändert. "Ich frage mich manchmal, warum ich immer wieder komme", sagte er dieses Jahr in Tokio. "Aber nun bemerke ich, wie sich die Haltung lockert und es eine Wende geben könnte."

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