Ungreifbar

Die Technik wird immer kleiner? Mobiltelefone nicht – sie werden wieder größer. Dabei sollten sie eigentlich komplett verschwinden.

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Von
  • Peter Glaser

Wer nachverfolgt, wie sich die äußere Form und die Displays von Mobiltelefonen, später Smartphones von 1990 bis heute verändert haben, der wird eine interessante Beobachtung machen. Die Geräte sind nicht einfach kleiner geworden. Die Miniaturisierung der Mobiltelefone verlief nicht linear. Kurz nach der Jahrtausendwende scheinen die Geräte sozusagen ein Minimierungsmaximum erreicht zu haben. Es gab Handys, bei denen man beim Telefonieren darauf achten mußte, sie nicht einzuatmen. Die Erfindung des Smartphones hat vielmehr bewirkt, dass die Geräte wieder größer werden. Seit dem iPhone nehmen vor allem die Displays an Fläche zu.

Man ist, wieder einmal, an eine biologische Grenze gestoßen – den menschlichen Körper. Wenn sich Bedienungselemente an einem Gerät nicht mehr mit der Fingerspitze bedienen lassen, wird es unbequem oder schlicht dysfunktional. Es gibt verschiedene Ansätze, die das Problem der Interaktion mit schrumpfenden Maschine zu lösen versuchen. Ingenieure schwärmen von der ungebremsten Miniaturisierung: "Wir können es so klein machen, dass du es gar nicht mehr siehst!" Damit kann man aber nicht mehr telefonieren und auch nicht mehr renommieren. Ein Ausstatter für James-Bond-Filme beklagte sich schon vor Jahren darüber, dass echtes Spionage-Equipment inzwischen so winzig sei, dass man es nicht ehr als Filmrequisite verwenden könne.

Eine Möglichkeit, das Problem der Ungreifbarkeit zu umgehen, sind künstlich intelligente Lautsprecher, in denen digitale Flaschengeister wie Alexa, Google Assistant oder Apples Siri hausen. Die Spracherkennung stößt allerdings in der Öffentlichkeit rasch an ihre Grenzen. Man stelle sich etwa ein Eisenbahnabteil mit sprachsteuernden Menschen vor.

Ein anderer Ansatz wäre der von Mark Zuckerberg und Leuten, die gleichfalls eine Menge Geld für Zutrittsmöglichkeiten in virtuelle Realität (VR) ausgegeben haben. Das Eintauchen in eine solche Illusion findet über eine VR-Brille statt, die aussieht wie eine Mischung aus einer Taucherbrille und dem sprichwörtlichen Brett vorm Kopf. Gamer, Wissenschaftler und Raumfahrtunternehmen gehören zur Zielgruppe, aber ich zweifle daran, dass die Technologie alltagstauglich ist. Eine VR-Brille zu tragen erinnert an die Filmszene, in der das Alien einem Astronauten ins Gesicht gehüpft ist und sich dort festgesetzt hat. Vielleicht sollte jemand Mark Zuckerberg sagen, dass Menschen sich nur sehr ungern das Gesicht umbauen lassen.

Ich finde den Ansatz am Vielversprechendsten, der die Miniaturisierung bis zum Äußersten treibt. Jahrelang hat die Verkleinerung schrittweise stattgefunden, bis gerade noch die Fingerspitze auf die Bedienknöpfchen paßte. Der nächste Schritt muß radikal ausfallen: Ich wünsche mir von der Technologie der Zukunft, dass die Hardware verschwindet und nur noch die Funktionen bleiben. Natürlich wird die Hardware nicht wirklich verschwinden, sie tritt in den Hintergrund und wird zu einer neuen Umweltbedingung.

Praxistaugliche Projektionssysteme, die bei Bedarf Bedienungselemente auf jede beliebige Oberfläche projizieren, gibt es schon länger. Ich möchte nicht einmal mehr ein Mobilgerät brauchen, wenn mir von der Kneipendecke oder dem nächsten Laternenpfahl aus die Benutzeroberfläche für ein virtuelles Smartphone zugestrahlt wird. Es gibt etwas, das ich "das Glück der freien Hände" nenne. Eine Freiheit. Ein Wink genügt. Etwas wie Zauberei, bloß gebührenpflichtig.

(bsc)