Ist es zulässig, die Wirkung von Salz an Häftlingen zu studieren?

US-Forscher schlagen großangelegte Untersuchungen mit Gefängnisinsassen vor. Doch der potenzielle Erfolg solcher Ernährungsstudien bleibt umstritten.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Das Konzept entbehrt nicht eines gewissen Reizes: US-Forscher um Daniel Jones von der University of Mississippi School of Medicine planen, endgültig zu klären, ob zu viel Salz in der täglichen Nahrung schädlich ist. In einer großangelegten Studie will das Wissenschaftlerkollektiv um den ehemaligen Präsidenten der American Heart Association den Einfluss des Salzkonsums auf den Blutdruck und damit auf das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen untersuchen, wie die New York Times berichtete.

Der Haken bei diesem spannenden Vorhaben ist allerdings das für die Studie erdachte Setting: Die Handhabung von Ernährungsstudien ist ungeheuer kompliziert und herausfordernd. In diesem Fall gilt es zu gewährleisten, dass mehrere Tausend Menschen über Jahre hinweg nicht mehr als 2300 Milligramm Salz zu sich nehmen. Diverse leicht zu kontrollierende Szenarien schieden allerdings schnell aus: Die Menschen in Pflegeheimen seien meist schon zu alt und zu krank für eine Teilnahme, so die Forscher, während Soldaten andererseits zu jung und zu gesund seien, um als Probanden infrage zu kommen.

Am Ende entschied das Forscherkonsortium während seiner Klausurtagung in Jackson, Mississippi, es mit Strafgefangenen zu versuchen. Denn Häftlinge können an sich nicht frei entscheiden, wie viel Salz sie zu sich nehmen. Sie müssen quasi essen, was ihnen vorgesetzt wird. Deshalb wäre es genauso im Interesse der Strafgefangenen selbst herauzufinden, wie hoch die ideale Salzzufuhr ist, schloss das Forscherteam. Der Tatbestand, dass zumindestens theoretisch ein gewisses Eigeninteresse für die Häftlinge an solch einer Studie besteht, ist nicht unwichtig. Denn er gilt als Voraussetzung, dass seitens der Bundesbehörden Fördergelder gewährt werden können.

Jones und seine Kollegen, die durchaus kontrovers über das ideale Salzlevel denken, stellten ihre Pläne jetzt in der Zeitschrift Hypertension der US-Öffentlichkeit zur Diskussion. Nachdem in der Vergangenheit Strafgefangene auch in den USA Opfer äußerst fragwürdiger Studien geworden sind, gilt es heute umso mehr, die ethischen Rahmenbedingungen solcher Studien zu durchleuchten.

Vielleicht aber muss man gar nicht so weit gehen, dass am Ende moralische Maßstäbe zum Tragen kommen. Schon das Vorhaben allein offenbart schnell etliche Hürden, denen sich unter anderem ein Artikel der Zeitschrift The Atlantic widmet. So ist nicht auszuschließen, dass sich Inhaftierte – wie auch jetzt schon üblich – herzhafte Snacks organisieren, um den öden Gefängnisalltag und die oft fade Kost aufzupeppen. Ohnehin genießt das Essen von Anstalten nicht den besten Ruf – vor allem, was die Qualität angeht. Insofern wären also permanente, strenge und detaillierte Kontrollen vonnöten, sollen am Ende der Studie verlässliche Aussagen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Ernährung stehen.

Als zentrales Problem aber entpuppt sich die Rolle der Gefangenen selbst: Das Studiendesign läuft darauf hinaus, dass in der Theorie erst einmal alle mitmachen. Es sei denn, sie entscheiden sich bewusst dagegen. Glaubt man den Ausführungen von Experten, wird es äußerst schwierig sein, zu verlässlichen Studienergebnissen zu kommen, sollten nicht alle Insassen einer Anstalt das gleiche Essen erhalten. Das heißt, sobald unterschiedliches Essen mit zweierlei Salzgehalt ausgegeben werden sollte, könnte das erst recht sämtliche Ergebnisse torpedieren. Es ließe sich nicht verhindern, dass zum Beispiel Essen getauscht würde.

Immerhin soll es wohl den einzelnen Gefangenen überlassen werden, ob sie ihre Gesundheitsdaten freigeben. Doch selbst dann lässt sich die Aussagekraft der Ergebnisse bezweifeln: Es ist anzunehmen, dass die Teilnehmer hauptsächlich männlich und überwiegend Farbige sein werden. Solche Daten wären allerdings nicht ohne Weiteres generalisierbar. Vielleicht ist trotz aller Ambitioniertheit seitens der Forscher – bei genauer Betrachtung – dieser Art von Gefängnisstudien doch keine große Zukunft beschieden. (inwu)