Mein Freund, das Fräulein

Citroën Ami 6: „La Ligne en Z“ zwischen Ente und Göttin

Ein Schrägheck wollte er haben, Pierre Bercot, der Citroën-Chef. Und er bekam das vielleicht schrägste Heck der Automobilgeschichte: den Citroën Ami 6

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Citroën Ami 6 19 Bilder
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Hach, das waren spannende Zeiten, als Nischen und Kunden nicht aufgebohrt und erfunden werden mussten, sondern deren Ansprüche und Wünsche tatsächlich existierten und nur auf ihre Entdeckung warteten. Bei Citroën gab es beispielsweise Ende der 1950er Jahre die Überlegung, ob es zwischen den Fahrern der billigen 2CV und den Besitzern der teuren DS nicht noch jemanden geben könnte, der auch gerne Auto fahren würde. Ohne den Prestigeabrieb der Ente. Aber eben auch ohne Privatkonkurs mit der DS. Aus heutiger Sicht wenig überraschend: Da gab es welche. Der Citroën Ami 6 war genau das Auto für diese Menschen.

Die Göttin, die Ente und deren Kind

Pierre Bercot, damals der Generaldirektor von Citroën, wollte eine Mischung aus Ente und Göttin. Um den Preis niedrig zu halten konnte das nur bedeuten: die Technik der Ente, die Ausstattung der Göttin und etwas belle vie. Letzteres bedeutete, dass der Wagen als Viertürer entwickelt werden sollte. Denn Kombis waren für Handwerker und die sollten gefälligst den HY fahren.

Nein, eine Limousine sollte es werden. Denn wer sich aus der Notwendigkeit einen 2CV fahren zu müssen herausgearbeitet hat, der würde das ja wohl auch gerne nach außen tragen, so der Masterplan von Bercot. Länger als vier Meter durfte der Wagen nicht werden, den Vortrieb sollte der Motor des 2CV übernehmen.

Der Designauftrag ging an Flaminio Bertoni. Dessen größter Wurf bis dahin – und genau genommen bis heute – war die DS. Ausgerechnet. Denn Bertoni selbst nennt das Fahrzeug nicht Göttin sondern „Hippopotame“. Bis zum Schluss arbeitete er an deren Dachform, die schließlich durch die Blinker, die als Trompe-l'Oeil dienen, vollendet wurde.

Überhaupt ... Autos ... wirklich? Bertoni ist traditioneller, bildender Künstler. Beim Autodesign störte ihn vor allem die Technik, die er versucht möglichst zu kaschieren, da sie ihn nur daran hinderte, perfekte Skulpturen zu erschaffen.

Doch Bertoni hatte sich für diesen Ansatz in Sachen Autodesign das richtige Jahrzehnt ausgesucht. Schlicht und raffiniert musste es zu dieser Zeit sein. Als herausragendes architektonisches Symbol dieser Epoche gilt das bronzene Seagram Building in New York. In der Modewelt tat derweil Yves Saint Laurent für Dior so, als hätte er die Trapezform erfunden – mit harten Linien und großzügigem Schnitt ging es auf den Laufsteg.

Schlicht und cool, aber raffiniert

Es mag so klingen, als wäre das doch recht weit weg vom Autodesign, aber in dieser Welt arbeitete Bertoni. Und diese Welt will er mit dem Ami 6 herzeigen. Das auffälligste Designmerkmal des Fahrzeugs ist die inverse Heckscheibe. Sie war nötig, da Bertoni sonst nicht das gewünschte Kofferraumvolumen hätte umsetzen können, ohne das Fahrzeug zu sehr einem Handwerkermobil ähneln zu lassen.