Die unsichtbare Ordnung

Der Physiker Lawrence Krauss erzählt vom Fragenstellen: nach dem Licht, dem Universum und dem ganzen Rest. Und zeigt, wie die Forschung ständig umdenken muss.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Anton Weste

Wie lässt sich das Universum begreifen? Was steht hinter allem, was wir wahrnehmen? Krauss führt uns anhand dieser grundlegenden Fragen der Physik und Naturphilosophie durch die Jahrhunderte der Forschungsgeschichte und erläutert, wie Wissenschaftler zum aktuellen Standardmodell der Elementarteilchenphysik gelangt sind.

Dabei verweilt er nur recht kurz bei Pionieren wie Galilei, Newton und Maxwell. Den größten Teil des Buches nimmt das 20. Jahrhundert ein. Wir schauen Einstein, Fermi, Feynman und Higgs in die komplizierter werdenden Notizbücher. Weitgehend chronologisch erklärt das Buch die Entstehung der Relativitätstheorie, der Quantenmechanik, der Quantenchronodynamik und die Suche nach der großen vereinheitlichten Theorie. Krauss bleibt dabei im Bereich von Elementarteilchen, Elektromagnetismus, schwacher und starker Wechselwirkung. Wer ganz viel Urknall erwartet: Die Gravitation spielt nur eine Nebenrolle, Ausflüge in die Astrophysik sind selten, und der Name Stephen Hawking taucht auf knapp 400 Seiten nicht einmal auf.

Krauss, der an der Arizona State University theoretische Physik lehrt, vermeidet populärwissenschaftliche Vereinfachungen und schlüsselt die Probleme und Lösungen der Theorie-findung im Detail auf. Seine Versuche, eine fortwährend abstrakter werdende subatomare Welt anschaulich zu schildern, sind nur halbherzig. Die Darstellungen bleiben streckenweise spröde, mehr Schaubilder hätten dem Verständnis gutgetan. Das Buch kann und will nicht abschließend sein. Dunkle Materie, Stringtheorie und die mögliche Instabilität des Higgs-Felds verweisen auf zahlreiche offene Fragen für das 21. Jahrhundert.

Der Autor macht diese Schwächen wieder gut, indem er die Entwicklung des Standardmodells als eine spannende Geschichte erzählt, in der Wissenschaftler immer wieder unter Unglauben und Schmerz lieb gewonnene Weltbilder und Gedankengebäude einstürzen lassen müssen. Als Ausgangspunkt dient Krauss Platos Höhlengleichnis, nach dem unsere Wahrnehmung nur der Schatten einer tiefer liegenden, komplexeren Wirklichkeit ist. Wir folgen Wissenschaftlern, die bei der Suche nach der wahren Gestalt der Schatten immer wieder von ihren Experimenten und zwingenden Schlüssen überrascht werden. „Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben“, zitiert Krauss den Science-Fiction-Autor Philip K. Dick und liefert viele unterhaltsame Beispiele, in denen Physiker um den Schlaf gebracht wurden. Sie machen das Buch zu einem Manifest für die Vorzüge des Zweifels und die Macht der wissenschaftlichen Methode.

Lawrence M. Krauss: „Das größte Abenteuer der Menschheit. Vom Versuch, das Universum zu entschlüsseln“, Knaus Verlag, 384 Seiten, 26 Euro (E-Book 21,99 Euro)

(anwe)