Software findet vermisste Kinder

In Indien wurden in den vergangenen fünf Jahren 242.000 Kinder als verschollen gemeldet. Algorithmen helfen bei der Suche.

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Software findet vermisste Kinder

(Bild: "2villagechildren" / Harry / cc-by-2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Michael Radunski

Vermisste Kinder sind in Indien ein großes Problem. Tausende werden von Menschenhändlern sogar in andere Bundesstaaten verschleppt und zu Zwangsarbeiten missbraucht. Kommen diese Kinder manchmal erst nach Jahren wieder frei, erinnern sie sich oft nicht mehr an Details über ihre Herkunft wie etwa ihre Adresse.

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Offiziellen Angaben des Ministeriums für Frauen und Kinderentwicklung zufolge wurden allein in den vergangenen fünf Jahren rund 242.000 Kinder als vermisst gemeldet. Dhananjay Tingal von der Kinderschutzorganisation Bachpan Bachao Andolan (BBA) des Friedensnobelpreisträgers Kailash Satyarthi schätzt die Zahl der vermissten Kinder sogar auf rund 500.000. "Und jede Stunde kommen acht weitere Kinder hinzu", sagt Tingal.

Die indische Polizei scheint angesichts dieser Dimensionen völlig überfordert zu sein. Der Oberste Gerichtshof in Delhi erteilte den Exekutivbehörden unlängst sogar eine Rüge, weil selbst in der Hauptstadt die Aufklärungsrate bislang lediglich bei 37 Prozent liegt. Für das Gericht ist das Problem ähnlich "gefährlich wie Terrorismus". Tingal räumt jedoch ein: "Es ist unmöglich, dass man händisch all diese Bilder durchgeht und miteinander vergleicht." Er schlägt daher vor, "auf moderne Technologien wie die Gesichtserkennung zurückzugreifen, um das Problem in den Griff zu bekommen".

Die Kinderschutzorganisation stellte deshalb beim obersten indischen Gericht einen Antrag, dass bei der Identifizierung von wieder aufgefundenen Kindern Gesichtserkennung eingesetzt werden solle. Nachdem das Gericht dem Anliegen stattgegeben hatte, konnte im Frühjahr ein erster Testlauf beginnen. Die eigens von der Polizei entwickelte Software verglich die Daten von rund 60.000 vermissten Kindern der offiziellen Vermisstenseite TrackChild mit 45.000 Aufnahmen unbekannter Waisen aus den verschiedenen Heimen der Hauptstadt.

Das Ergebnis ist ein riesiger Erfolg: Innerhalb von nur vier Tagen konnten 2930 Kinder identifiziert werden. Nun sind die Behörden damit beschäftigt, die Kinder zurück zu ihren Familien zu bringen.

Dank Gesichtserkennung könnte die Aufklärungsrate der Behörden künftig endlich deutlich steigen. Tingal hofft, dass der erfolgreiche Testlauf ein Anfang ist. Er weist darauf hin, dass die Datenbank von TrackChild entsprechend überarbeitet werden sollte, damit auch in den Bundesländern Kinder aus Waisenhäusern den Vermisstenanzeigen besser zugeordnet werden können.

"Viele Kinder werden von Banden in einen anderen Bundesstaat verschleppt", berichtet Tingal. Es handle sich daher um ein landesweites Problem, das überregional angegangen werden müsse. Die Polizei plant nun eine App für ihre Einsatzkräfte, sodass auch unterwegs Fotos von Kindern für einen schnellen Abgleich mit der Datenbank hochgeladen werden können.

(bsc)