Getränke-Industrie landet Coup gegen Limo-Steuer

Die Getränkehersteller erwirkten in Kalifornien ein Verbot von weiteren örtlichen Steuern auf süße Softdrinks. Dieser Bann könnte allerdings eine für den gesamten Bundesstaat erlassene Steuer nicht verhindern.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Die Qual der Wahl ist nicht neu. Viele Menschen sind hin- und hergerissen zwischen der Entscheidung für die gesunde Mahlzeit einerseits und der Versuchung durch süße Getränke und fettige, ballaststoffarme Snacks andererseits. Dass eine Steuer Menschen generell vom Konsum abhalten würde, hat sich in der Vergangenheit nicht bewahrheitet. Das gilt für Zigaretten, das gilt für Alkohol.

Aber Bürgermeister Jim Kenney versprach sich von der Einführung der Sondersteuer auf zuckerhaltige Erfrischungsgetränke in der US-Stadt Philadelphia vor zwei Jahren, dass sie das Gesundheitsbewusstsein seiner Mitbürger schärfen würde, wie Technology Review damals im Blog berichtete. In der Tat ging etwa in Mexiko, das bereits 2013 eine zehnprozentige Steuer auf zuckrige Getränke erließ, der Verzehr von Softdrinks um sechs Prozent zurück. Und in Philadelphia waren 2016 immerhin 68 Prozent der Erwachsenen und 41 Prozent der Kinder übergewichtig. Wie gefährlich Übergewicht ist, wurde in der Vergangenheit immer wieder in Studien dokumentiert, wie unter anderem ntv berichtete. Zu den Risiken, die damit einhergehen, zählen Herzkreislauf-Erkrankungen, Diabetes und die Gefahr eines Schlaganfalls.

Inzwischen gibt es laut Süddeutscher Zeitung ähnliche Steuern auf zuckerhaltige Limonaden und Softdrinks in Irland, Portugal, Estland, Belgien, Norwegen, Südafrika, Frankreich und seit diesem Frühjahr auch in Großbritannien. Offensichtlich gerät die Getränke-Industrie dadurch ordentlich unter Druck. Immerhin haben auf der Insel Coca-Cola und andere Getränkeproduzenten ihre Rezepturen geändert und den Zuckergehalt knapp unter den Grenzwert gesenkt.

Aber ein Einsehen auf Seiten der Hersteller darf man leider trotzdem nicht erwarten. Erst Ende der vorigen Woche landete die Getränke-Industrie in Kalifornien einen Coup, obwohl laut New York Times zuvor ein "Aufschrei" durch den Bundesstaat und das gesamte Land gegangen war: Die American Heart Association, die American Diabetes Association, die American Cancer Society und zwanzig weitere Verbände hatten sich im Vorfeld der Parlamentsabstimmung in einer gemeinsamen Stellungnahme gegen das von den Getränkeproduzenten durch eine erpresserische Kampagne erzwungene Gesetz ausgesprochen. Die Verbände hatten die Softdrink-Hersteller dafür gescholten, dass sie auf Hinterzimmer-Deals und hinterhältige Maßnahmen zurückgriffen, um ihren Profit abzusichern.

Die American Beverage Association erreichte mit ihrem erpresserischen Alternativ-Vorschlag, der örtlichen Behörden das Erheben von Gebühren für sämtliche öffentliche Aufgaben ungeheuer erschwert hätte, dass nun bis 2031 in Kalifornien keine Steuern auf Nahrungsmittel oder Getränke auf lokaler Ebene mehr erhoben werden dürfen. Diese Runde geht somit eindeutig an die Getränke-Industrie.

Was das in weniger als einer Woche durchgepeitschte Verbot allerdings nicht verhindert, ist der künftige Erlass einer Sodasteuer für den gesamten Bundesstaat. Darauf weist zum Beispiel Sabrina Adler von der Organisation ChangeLab Solutions, die sich für Gesundheitspolitik einsetzt, im Bericht der Washington Post hin. Es mag also durchaus sein, dass Abgeordnete, die sich jetzt zur Verabschiedung des Gesetzes gezwungen sahen, solch eine in ganz Kalifornien gültige Sodasteuer fortan unterstützen würden. Denn die wird durch den Coup der Getränkehersteller nicht verhindert. Dann allerdings wäre es kein geschickter Schachzug mehr – dann wäre es eher ein Eigentor. (inwu)