Zwangsschließung: Viele Internet-Cafés in China "zu unsicher"

Die Sicherheitsbehörden der Volksrepublik China haben in verschiedenen Provinzen in den vergangenen Monaten insgesamt 2.494 Internet-Cafés geschlossen.

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Von
  • Monika Ermert

Laut Berichten der offiziellen chinesischen Medien vom Ende der Woche haben die Sicherheitsbehörden verschiedener Provinzen in den vergangenen Monaten insgesamt 2.494 Internet-Cafés geschlossen. Ein Artikel der überregionalen Tageszeitung Guangming Ribao spricht unter Berufung auf eine unvollständige Statistik des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit sogar von Maßnahmen gegen insgesamt 14.428 von 77.964 überprüften "Netzbars" (wangba). Über 9.000 wurden Auflagen erteilt, rund 2.400 mussten vorübergehend, weitere 2.300 komplett schließen.

Die chinesischen Behörden nennen vor allem "Sicherheitsmängel" – darunter die primitive Ausstattung, Probleme beim Brandschutz und bei der Betriebsführung, etwa bei der Registrierung der Nutzer – als Ziel der groß angelegten Überprüfung. Unter anderem dürfte den Behörden die Tatsache ein Dorn im Auge sein, dass im Schnitt rund ein Drittel der Internet-Cafés keine oder nur eine unzureichende Lizenz haben. In manchen Orten betrage die Zahl der nichtlizenzierten kommerziellen öffentlichen Internetzugänge sogar über 50 Prozent, so der Bericht in Guangming Ribao.

Internetzugänge sind nicht nur im klassischen Internet-Café zu finden, sondern auch in Buch- und Kleiderläden, Friseursalons oder beim Metzger. Vor allem letzterer dürfte sich kaum die Mühe machen, für seinen online-fähigen Computer eine Lizenz entsprechend der "Vorschriften für Internet-Access Servicebetriebe" zu beantragen. Laut den Vorschriften drohen unlizenzierten Betrieben Geldstrafen von 30.000 Renminbi (rund 7.000 Mark).

Unter Strafe stehen der Download oder Besuch illegaler Inhalte, darunter Pornographie, Gewaltdarstellungen, Glückspielseiten und Angebote von Sekten, womit vor allem die in China verbotene Falungong-Bewegung gemeint ist. In den Provinzen Jiangsu, Guilin, Xinjiang, Henan und Anhui hätten die Sicherheitsbehörden genau solches Material bei ihren Razzien entdeckt, schreibt Guangming Ribao.

Die turnusmäßigen Razzien gegen Internet-Cafés seien das typische Beispiel für die Einschüchterungstaktik der chinesischen Behörden, erklärt der Sinologe Lokman Tsui in einer aktuellen Arbeit zu Chinas Internet-Überwachung. Der Vollzug der Gesetze hat die Form einer Sinuskurve, Phasen unkontrollierter Ausbreitung folge von Zeit zu Zeit ein hartes und von entsprechender Medienpropaganda begleitetes Durchgreifen. "Diese Aktionen sind notwendig, um die Gefängnisinsassen daran zu erinnern, dass sie überwacht werden", meint Tsui.

In einem Special der Online-Ausgabe der Volkszeitung werden daneben vor allem die Gefahren der Netzbars für Jugendliche in den Vordergrund gerückt, die sich häufig weniger für politisch sensible Inhalte im Internet als für gewalttätige Spiele interessieren. Für Jugendliche unter 14 gilt inzwischen, dass sie nicht unbegleitet in die Internet-Cafés dürfen, für 18-Jährige gilt eine Einschränkung während der Nacht. Der Vizeminister des fürs Internet zuständigen Ministry of Information Industry, Zhang Chunjiang, mahnte kürzlich bei einer Veranstaltung zur Nutzung des Internet durch Kinder und Jugendliche denn auch eine "gesunde" Entwicklung an. Verzichten will die Partei allerdings keinesfalls auf den Einstieg in die Informationsgesellschaft.

Unter großem Presserummel legte denn auch in der vergangenen Woche die Registrierstelle für .cn-Domains, das CNNIC, ihren 8. Bericht zur Entwicklung der Internetnutzung im Land vor. Danach tummeln sich inzwischen über 20 Millionen chinesische User an 10 Millionen netzfähigen Rechnern, mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Frauen und auch die Nutzer über 35 gewinnen dem Bericht zufolge inzwischen an Boden. Die genaue Zahlen darüber, welche Art des Zuganges Chinas User vor allem verwenden, steht noch aus, im vergangenen Jahr nutzten immerhin 20 Prozent Internet-Cafés. Aber der Trend geht laut der Untersuchung von Tsui mehr und mehr zum privaten Internetzugang; wie gut dort die Überwachung funktioniert, muss abgewartet werden. (Monika Ermert) / (jk)