Mobilfunklöcher: Eins weniger in Brandenburg

In Brandenburg schließt die Telekom ein Funkloch und ein kleines Dorf bekommt endlich Mobilfunk. Minister Andreas Scheuer hofft, dass das Beispiel Schule macht.

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Mobilfunklöcher: Eins weniger in Brandenburg

Verkehrsminister Andreas Scheuer (l.), Bürgermeister Joachim Tessenow (3.v.l.) und Telekom-Technikchef Walter Goldenits (r.) geben den symbolischen Startschuss für die Mobilfunkzelle in Kleßen-Görne.

(Bild: heise online/vbr)

Lesezeit: 5 Min.
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Ein Funkloch weniger: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Telekom-Technikchef Walter Goldenits haben am Mittwoch eine Mobilfunkstation im brandenburgischen Kleßen-Görne eingeweiht. An der Gemeinde im Berliner Umland mit ihren rund 360 Einwohnern ist der Breitbandausbau bisher vorbeigegangen. Im Festnetz ist mehr als ISDN nicht drin, sagt der Bürgermeister, und Mobilfunk gibt es so gut wie gar nicht. Der Ort liegt in einer Senke zwischen den Antennen zweier Nachbargemeinden. Empfang ist hier, wenn überhaupt, nur draußen und mit ein paar Verrenkungen möglich.

Mit zwei mobilen LTE-Antennen schließt die Telekom nun zumindest das Funkloch. Dass dafür extra ein Bundesminister und der Technikchef der Telekom mit einem Tross Journalisten im Schlepptau anreisen, liegt wohl an der internationalen Aufmerksamkeit, die der kleine Flecken im Havelland schon erregt hat. Ein dänischer TV-Sender hatte über die schlechte Mobilfunkversorgung berichtet, andere ausländische Medien griffen das Thema ebenfalls auf.

Im Vergleich mit Kasachstan schneidet Deutschland dabei nicht so gut ab, erzählt Bürgermeister Joachim Tessenow (CDU). Das ruft Berlin auf den Plan: Das Kleßener Funkloch wird zur Chefsache. Bei einem Treffen mit Telekom-Chef Tim Höttges drängt der Minister auf eine Lösung – und Höttges verspricht, zu helfen. "Und die Telekom hat Wort gehalten", sagt Scheuer. Am Ende ging es dann ziemlich schnell: Ein knappes halbes Jahr später rückt die Telekom an, sagt Tessenow. Vorher hatte die Gemeinde mehrere Jahre vergeblich gewartet.

"Wir halten Wort und eine ist uns nicht genug, wir stellen gleich zwei Antennen auf", sagt Walter Goldenits, Technikchef der Deutschen Telekom. Erstmal sind es zwei mobile Einheiten, später will die Telekom dann fest bauen. Die nötigen Stromkabel hat die Gemeinde schon verlegt. Der Mast in Görne liefert GSM (900 MHz) und LTE im 800-MHz-Band, bis zu 50 Mbit/s kommen beim Nutzer an. Angebunden ist die Anlage per Richtfunk an eine mit Glasfaser erschlossene Antenne in rund acht Kilometer Entfernung. Die Verbindung liefert rund 300 Mbit/s und lässt sich auf bis zu 1 Gbit/s skalieren, erklärt Goldenits.

Minister Scheuer sieht beim Netzausbau auch die Anbieter in der Pflicht, zum Erreichen der politischen Ziele beizutragen. Es müsse auch der Wille der Netzbetreiber sein, die weißen Flecken von der Mobilfunklandkarte zu tilgen. "Wir investieren fünf Milliarden im Jahr", sagt der Telekom-Technikchef im Hinblick auf die Ausbauaktivitäten in Deutschland. Die Branche verweist nicht zuletzt auf die Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Scheuer zeigt dafür Verständnis, will die Anbieter aber auch nicht völlig aus der Verantwortung entlassen.

So sieht ein ehemaliges Funkloch aus.

(Bild: heise online/vbr)

"Bislang hieß es von Seiten der Mobilfunkbetreiber immer, dass eine wirtschaftliche Lösung unter anderem für die Gemeinde Kleßen-Görne nicht möglich wäre", sagt der Chef der Brandenburger Staatskanzlei, Martin Gorholt (SPD). Daher sei der Anschluss des Dorfes mit 360 Einwohnern ans Mobilfunknetz sehr zu begrüßen. "Das lässt hoffen, dass das Wirtschaftlichkeitsargument nicht mehr ganz oben auf der Agenda der Telekom steht und davon auch andere Standorte profitieren."

Nicht immer liegt es an uns, sagen Anbieter wie die Telekom: Manche Gemeinde will auch keinen Mobilfunkmast im Ort haben. Und wenn doch, dann verzögern langwierige Genehmigungsverfahren den Ausbau. In Kleßen-Görne hingegen ging es sehr schnell, weil alle an einem Strang gezogen haben – auch ein Verdienst des Bürgermeisters. Der Mobilfunk ist jetzt im Ort, da will Tessenow auch das Festnetz ins Breitband-Zeitalter holen. Die Anträge sind schon gestellt, sagt der Bürgermeister.

Der Interessenkonflikt zwischen Politik und Wirtschaft dürfte auch den Mobilfunkgipfel prägen, zu dem Scheuer die Netzbetreiber und die Kommunen am Donnerstag ins Verkehrsministerium eingeladen hat. Es soll darum gehen, wie die Mobilfunkversorgung besser werden kann. Ziel der Koalition ist, die Mobilfunklöcher in Deutschland bis 2021 alle zu schließen. Denn Kleßen-Görne hat jetzt zwar LTE, aber es gibt noch deutlich mehr weiße Flecken in Deutschland.

Über den Gipfel will Scheuer nicht reden. Er ist hier, um ein Funkloch zu schließen. Und er weiß, dass es nicht einfach wird, das bei allen anderen auch zu erreichen. Da sind "harte Diskussionen" mit den Netzbetreibern nötig. Die Telekom möchte einen "konstruktiven Dialog" führen, betont Goldenits. "Wir sehen uns auch als Partner für die Digitalisierung der Republik."

In der Sache aber bleiben die Netzbetreiber hart: Hundert Prozent Abdeckung werden sie der Bundesregierung kaum zusagen. Denn dieses letzte Prozent, Orte wie Kleßen-Görne, ist sehr teuer, gibt Goldenits auf dem Feld in Brandenburg zu Bedenken. Ohne "neue Modelle" sei da nichts zu machen. Will heißen: Ohne staatliche Förderung. Für den Staat wären ein paar Antennen auch keine Rieseninvestition: Auf 150.000 bis 200.000 Euro Materialkosten kommt man für so einen Mobilfunkmast, meint Goldenits.

Aber es ist ja nicht mit einer Antenne getan. Alleine in Brandenburg haben die Bürger nach einem Aufruf der CDU-Landtagsfraktion im vergangenen Jahr über 23.000 Meldungen über mangelhaften Handyempfang abgegeben. Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) erneuert deshalb die Forderung, den Mobilfunk als Universaldienst im Telekommunikationsgesetz festzuschreiben. Das Wort "Universaldienst" hören die Netzbetreiber allerdings gar nicht gerne. Vielleicht finden sie auf dem Mobilfunkgipfel noch eine andere Lösung. (vbr)