Spielen mit Behinderung

Fast die Hälfte der Weltbevölkerung spielt digitale Spiele, darunter auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Forscher haben jetzt die Besonderheiten dieser Gruppe untersucht.

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Spielen mit Behinderung

Geräte wie der Xbox Adaptive Controller können behinderten Menschen beim Zocken helfen.

(Bild: Microsoft)

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  • TR Online
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Nach manchen Schätzungen spielen 2,6 Milliarden Menschen weltweit digitale Spiele, ein bedeutender Anteil der gesamten Bevölkerung. Spielehersteller und Wissenschaftler erforschen intensiv, warum und wie Menschen spielen – aus Spaß, wegen der Herausforderung, zur Entspannung, als Beschäftigung mit Freunden und so weiter.

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Doch eine Personengruppe fällt in diesen Studien vor allem durch Abwesenheit auf: Behinderte. Es gibt zunehmend Einzelbelege dafür, dass viele von ihnen Spiele schätzen und mehr Zeit damit verbringen. Ansonsten aber ist wenig darüber bekannt, was eine bedeutende Hürde dafür darstellt, passender Spiele zu entwickeln.

Eine neue Arbeit von Jen Beeston und Kollegen an der University of York in Großbritannien und der US-Behindertenorganisation AbleGamers Charity bringt jetzt etwas Licht in dieses Dunkel. Die Forscher haben Behinderte unter anderem dazu befragt, was sie spielen, warum, und welche Art von Hilfstechnologien sie benutzen. Insgesamt nahmen 230 Personen an der Befragung teil, 156 Männer und 52 Frauen sowie 16 mit keiner klaren Angabe zum Geschlecht.

Die Teilnehmer mussten mit einer großen Bandbreite an Einschränkungen leben. Mehr als die Hälfte litt unter Lähmungen der oberen oder unteren Extremitäten, ein Viertel hatte Probleme mit der geistigen Gesundheit, 19 waren Autisten, weitere hatten Seh- oder Hörprobleme, Lernschwächen und anderes.

Beeston und Kollegen fragten die Teilnehmer, wie lang bei ihnen eine typische Spiel-Session dauert. In etwa der Hälfte der Fälle waren es zwischen zwei und vier Stunden am Stück, bei einem Viertel mehr als fünf Stunden. Die beliebteste Plattform waren mit gut 50 Prozent Anteil PCs. „Dies passt zu der allgemeinen Vorstellung, dass PC-Spiele bis vor kurzem besser zugänglich waren als Konsolen, weil diese Plattform reifer ist“, schreiben Beeston und Kollegen.

Zum Spielen nutzten die Befragten unterschiedliche Modifikationen, unter anderem spezielle Controller und Mäuse, Untertitel und Umlegungen von Tasten. „Dies zeigt, dass sogar solche relativ einfachen Anpassungen dazu beitragen können, vielen Menschen das Spielen zu ermöglichen“, so die Studie.

Bei der Art der Spiele zeigten sich ähnliche Vorlieben wie bei gesunden Menschen. Zu den Favoriten zählten Super Mario Odyssey, Grand Theft Auto V und The Legend of Zelda: Breath of the Wild. Die Teilnehmer gaben an, Online- und Offline-Spiele allein oder in Mehrspieler-Konfigurationen zu spielen. „Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, dass sich die Präferenzen dieser Spieler nicht von denen nicht-behinderter Spieler unterscheiden“, halten Beeston und Kollegen fest.

Vielleicht am interessantesten sind die Gründe, aus denen behinderte Menschen spielen. Am häufigsten gaben sie Spaß und die Herausforderung an. Doch anders als Nichtbehinderte sind sie weniger stark vom Wettbewerbsaspekt von Spielen motiviert.

Viele Teilnehmer gaben zudem an, auch aus gesundheitlichen Gründen zu spielen, etwa zum Stress-Abbau, gegen Depressionen oder als Physiotherapie für ihre Hände. Ein Drittel der Teilnehmer sagte außerdem, das Spielen helfe beim Umgang mit Schmerzen. All das ist eine Grundlage für zukünftige Forschungsarbeiten, die detaillierter zeigen könnten, welche Art von Hilfstechnologien am nützlichsten sind und wie sie sich noch verbessern lassen. Eindeutig aber werden noch mehr Informationen über das Thema benötigt, nicht zuletzt, weil die Studie einige Schwächen aufweist.

Bei den Teilnehmern handelte es sich um eine Gruppe aus der AbleGamers Charity, die sich freiwillig dafür meldeten. Damit dürften sie tendenziell erfahrene Spieler sein, die sich mit Hilfstechnologien gut auskennen. Aber wie sieht es mit anderen behinderten Menschen aus? Gut möglich wäre, dass sie keinerlei Zugriff auf Spiele haben, weil sie nicht über die nötigen Unterstützungen verfügen oder mit ihnen nicht zurechtkommen.

Außerdem fehlt es der Studie an einem detaillierten Vergleich der Spiel-Gewohnheiten von Behinderten und Nichtbehinderten, und sie nennt keine klaren Unterschiede bei ihrem Verhalten. Wie verbreitet zum Beispiel ist Spielen bei behinderten Menschen relativ zu gesunden? Wie hängt das mit den unterschiedlichen Arten von Behinderungen zusammen? Trotzdem sind Beeston und Kollegen einen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Die Gemeinschaft der Behinderten wird in vielerlei Hinsicht grob vernachlässigt und in vielen Bereichen des Lebens diskriminiert. Bei Spielen sollte es anders sein.

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