Zahme Maschinen

Roboter sind stark und präzise – und können problemlos einen Menschen töten, wenn er ihnen in den Weg kommt. Ein Start-up will sie jetzt mit Sensoren und Software zu ungefährlichen Kollegen machen.

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Zahme Maschinen

(Bild: Veo Robotics)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Will Knight
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Ein zwei Meter großer Roboter-Arm bewegt sich rasant und transportiert mit übermenschlicher Geschwindigkeit ein Stück Metall etwa von der Größe einer Bowling-Kugel von einem Arbeitstisch zum nächsten. Doch als ein menschlicher Arbeiter danach greift, wird der Roboter langsamer und hält schließlich ganz an. Sobald sich der Mensch entfernt, nimmt er das alte Tempo wieder auf.

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Die Maschine und der Mann bauen zusammen eine Auto-Federung. Für jeden, der sich mit normalen Industrierobotern auskennt, wirkt das wie nackter Wahnsinn.

Industrieroboter können problemlos Menschen töten. Deshalb sind die in Fabriken normalerweise in Käfigen gesichert oder werden von einem Sensorsystem überwacht, das alles stoppt, wenn sich irgendjemand auf ein paar Meter nähert. Man müsste also ziemlich verrückt sein, wenn man versuchen würde, so einem Roboter ein Werkstück wegzunehmen.

Doch der beschriebene Roboter ist kein normaler. Das von Veo Robotics, einem Start-up aus dem US-Bundesstaat Massachusetts, entwickelte System arbeitet mit Technologie, die selbst den stärksten und gröbsten Industrieroboter zu einem ungefährlichen Arbeitskollegen machen kann.

Dazu installiert Veo mehrere 3D-Sensoren um Industrieroboter. Dann entwickelt Software eine Abbildung der Umgebung, in der Objekte einschließlich Menschen identifiziert werden. Die Software kann abschätzen, wohin eine Bewegung führt und steuert entsprechend den Roboter. Der kleinste Fehler könnte hier katastrophale Folgen haben.

Die Idee dazu kam dem Veo-CEO Patrick Sobalvarro bei einem Besuch der BMW-Fabrik in Spartanburg, wie er berichtet. Viele Aufgaben, etwa die Installation des Armaturenbretts, wurden dort manuell erledigt, weil dazu Schläuche und Kabel verbunden werden müssen. Doch die Armaturenbretter haben ein hohes Gewicht und sind für Menschen nur schwer zu handhaben.

„Wir verwenden einen Roboter für die Sachen, die nur viel Kraft erfordern“, sagt Sobalvarro über seine Demo-Anlage für die Federung. „Dadurch verringert sich die Produktionszeit um die Hälfte.“

Roboter sind stark und präzise, vieles andere aber beherrschen sie nicht gut, etwas feine Handgriffe oder Arbeit mit flexiblen Objekten. Ähnlich sind Menschen geschickt mit den Händen und können gut improvisieren und sich anpassen, stoßen aber bei der stundenlangen Arbeit mit schweren Gegenständen an ihre Grenzen.

„Derzeit ist es für Produktionsfirmen so, dass sie, wenn sich etwas nicht komplett automatisieren lässt, ganz auf Roboter verzichten müssen“, sagt Clara Vu, Technikchefin bei Veo. „Sie hätten aber gern, dass ein Roboter ein großes, schweres Objekt nimmt und an den richtigen Platz bringt. Dann soll ein Mensch kommen und kurz den Rest erledigen.“

Der Ansatz von Veo basiert nicht auf hochmodernem Maschinenlernen, weil diese Verfahren tendenziell schlecht vorhersagbar und schwieriger zu validieren sind. Die Technologie kann bei Roboter-Arbeitseinheiten nachgerüstet werden, die sich anschließend normal programmieren lassen. Der Roboter erledigt dann einfach seine Arbeit, achtet dabei aber darauf, keine Menschen in der Nähe zu verletzen. In zukünftigen Versionen könnte es möglich sein, dass Roboter und Menschen noch enger zusammenarbeiten.

In Branchen wie der Auto-Industrie sind Roboter seit langem präsent. Jetzt aber breiten sie sich rasch auch auf andere Zweige der Produktion und auf Lageräuser aus. Laut der Robotic Industries Association, einem Verband von Roboter-Herstellern in den USA, wurden im ersten Quartal 2018 rund 22 Prozent mehr Roboter ausgeliefert als im Vorjahreszeitraum. Und die International Federation of Robtics, ein weiterer Branchenverband, geht davon aus, dass sich die Zahl der Industrieroboter bis 2020 gegenüber 2014 verdoppeln wird.

Fortschritte bei Sensoren, Rechenleistung und Software verändern die Art und Weise, wie sich Roboter konstruieren und einsetzen lassen. Neuartige Roboter für Lagerhäuser, Büros, Geschäfte und Lieferung werden dank dieser Fortschritte derzeit getestet und kommerzialisiert.

Bereits in den letzten Jahren ist eine Generation von Fertigungsrobotern auf den Markt gekommen, die Seite an Seite mit Menschen arbeiten können – aber nur, weil sie nicht stark genug sind, um Schaden anzurichten.

Mit Maschinenlernen aber dürften Roboter bald noch weitere Fähigkeiten bekommen. Viele Forscher beschäftigen sich mit der Frage, wie Roboter durch Übung und Experimentieren lernen können, damit sie auch ungewöhnliche und unbekannte Objekte greifen können. Veo kommt zwar derzeit ohne Maschinenlernen aus, könnte aber auch Roboter mit dieser Technologie sicherer machen.

Willy Shih, der sich als Professor an der Harvard Business School mit Produktionstechnologie beschäftigt, ist vor kurzem Mitglied des Boards von Veo geworden. Nach seinen Worten ist das Potenzial des Unternehmen zu groß, um es sich entgehen zu lassen: „Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man billige und reichlich vorhandene Rechenleistung einsetzen kann, um Maschinen nützlicher zu machen.“

(sma)