Ende einer Ära: Musik-Streaming umsatzstärker als CD-Verkauf

Zeitenwende auf dem deutschen Musikmarkt: Erstmals wird mit Streaming mehr Umsatz gemacht als mit der guten alten CD.

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Musikstreaming

(Bild: dpa, Daniel Bockwoldt/Symbolbild)

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In ihren besten Jahren bereitete die CD dem deutschen Musikmarkt ein Milliardengeschäft, jetzt wurden die kleinen Silberscheiben von Streamingdiensten wie Spotify oder Deezer überholt. Erstmals wurde mit Streaming mehr Geld eingenommen als durch den Verkauf von CDs, wie der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) am Mittwoch mitteilte. Überraschend kommt diese Wende nicht. Vielmehr verwundert es, wie sich die CD im Internet-Zeitalter überhaupt so lange halten konnte – gerade die Deutschen haben der Silberscheibe lange die Treue gehalten.

Insgesamt setzte der deutsche Musikmarkt in den ersten sechs Monaten des Jahres 727 Millionen Euro um, das ist - im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017- ein Rückgang von zwei Prozent. Dabei verbuchten Dienste wie Spotify oder Deezer im ersten Halbjahr 2018 einen Zuwachs von 35,2 Prozent auf 348 Millionen Euro Umsatz. Das Streaming kam damit auf einen Marktanteil von 47,8 Prozent. Gleichzeitig brach das Geschäft mit CDs um 24,5 Prozent auf 250 Millionen Euro ein. Ihr Anteil am Gesamtmarkt macht nur noch 34,4 Prozent aus. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 44,6 Prozent.

Ihre Anfänge nahm die CD zum Teil auch in Deutschland. Erfunden von Philips und Sony, wurde sie 1981 auf der Berliner Funkausstellung vorgestellt. Im August 1982 wurden die weltweit ersten für den Verkauf bestimmten Silberscheiben in Langenhagen bei Hannover produziert – dabei soll es sich um das Album „The Visitors“ von ABBA gehandelt haben.

(Bild: BVMI)

Die neue Technik bescherte der Musikindustrie in den 1980er und 90er Jahren goldene Zeiten. Nicht nur Chartstürmer wie Michael Jackson oder Madonna füllten ihre Kassen. Ob Beatles oder Bee Gees, die Kunden kauften sich auch millionenfach Musik, die sie bereits auf Vinyl besaßen, noch einmal auf CD. 1997 erreicht die CD dann den Höchstumsatz von umgerechnet 2,3 Milliarden Euro. Doch der Goldrausch der Branche währte nicht lange – und ließ sich auch nicht mehr wiederholen.

Mit dem Internet und der Digitalisierung kamen erst neue Formate wie MP3, dann Tauschbörsen wie Napster und schließlich die Streamingplattformen. Die Industrie versuchte noch, mit einer besseren Soundqualität in den Disc-Formaten Super-Audio-CD und DVD-Audio dagegenzuhalten - doch die breite Masse der Käufer war nicht interessiert. Eine letzte Bastion der CD ist Japan, wo die Silberscheiben im vergangenen Jahr noch über 60 Prozent der Erlöse im Audio-Geschäft ausmachten.

In Schweden, der Heimat des Marktführers Spotify, ist das Streaming bereits seit 2012 umsatzstärkster Bereich, in Nordamerika seit 2015. „Die Deutschen sind traditionell etwas zögerlicher, was digitale Trends betrifft. Somit ist es spannend, dass wir jetzt das erleben, was in andern Ländern schon seit einigen Jahren stattfindet“, sagte der BVMI-Vorstandsvorsitzende Florian Drücke.

Wie will sich die Branche also weiter behaupten? Dazu sollen Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht genommen werden, die sich - so der Vorwurf des BVMI - Lizenzzahlungen entziehen. Obwohl der „de facto größte Musikstreaming-Dienst der Welt“ mit Werbung jede Menge Geld verdiene, zahle er nur einen Bruchteil dessen, was durch Spotify und andere Dienste eingenommen werde, sagte Drücke. (vbr)