Die Bombe in den Bergen

Was uns das Schweizer Atomwaffen-Programm für die Zukunft lehren kann.

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Schau an, die Schweizer, diese grundsoliden Geschäftsleute, die noch immer die persönliche Leibwache des Papstes stellen, die mit ihrem Bankgeheimnis Jahrzehntelang diskret sehr gutes Geld gemacht haben, immer ein wenig langsamer sind als der Rest der Welt aber dabei präzise, verlässlich und sauber - diese Schweizer waren drauf und dran, sich eigene Atombomben zu bauen.

Das schreibt zumindest die Neue Zürcher Zeitung, und die muss es ja wissen. Zwar habe, heißt es in dem Artikel, die Landesregierung die einschlägigen Pläne erst 1958 erstmals offiziell bestätigt, aber die "Studienkommission für Atomenergie" (SKA) versuchte bereits seit Anfang der 1950er auf verschiedensten mehr oder minder unauffälligen Wegen, sich Uran zu beschaffen. Zwischen 1953 und 1955 gelang es der SKA schließlich, zehn Tonnen Uran in Belgisch Kongo für rund 3,3 Millionen Franken zu kaufen.

Damit kann man eine Menge bewirken, wenn man über das technische Know How verfügt - das natürlich damals streng geheim war. Mittlerweile ist zumindest ein bisschen davon jedoch frei verfügbar, wie zum Beispiel diese Vorlesung von 1943 von Robert Serber aus Los Alamos, in der unter anderem die kritische Masse von Uran und Plutonium abgeschätzt und verschiedene Geometrien für den radioaktiven Kern einer Atombombe durchgerechnet werden.

"Der Generalstabschef Jakob Annasohn träumt bereits von total 450 Atombomben" schreibt die NZZ, "verteilt auf Fliegerbomben, Artilleriegeschosse und Raketensprengköpfe. Die Forschungen der beigezogenen Physiker ergeben schliesslich, dass die Schweiz in der Lage wäre, Atomwaffen zu entwickeln. Sie rechnen indes mit einer Dauer von bis zu 35 Jahren für das von Annasohn gewünschte Bewaffnungsszenario. Sie schlagen zudem unterirdische Atomtests in den Bergen vor, damit sie auch im Ausland unbemerkt blieben".

Wer jetzt meint, das alles klinge doch absolut verrückt und absurd, dem sei die Lektüre dieses Artikels aus der Zeit nahegelegt: Die Kollegen beschreiben darin Adenauers Versuch, auch Deutschland atomar zu bewaffnen anhand der damaligen politischen Situation: Der kalte Krieg war auf dem Höhepunkt, die Russen hatten mit dem Sputnik-Start ihre technische Überlegenheit demonstriert und in den USA gab es Überlegungen, sich aus Europa zurück zu ziehen.

Fun Fact: Was die Schweizer letztendlich gebremst hat, war nicht der politische Widerstand gegen das Projekt - ein Referendum gegen Atomwaffen scheiterte 1962 - sondern die Kosten. Weil die Entwicklung des Mirage-Jägers, der als Träger für die Atomwaffen dienen sollte, vollkommen aus dem Ruder lief, wurde das Projekt zunächst auf Eis gelegt. 1969 unterzeichnete die Schweiz dann auch den Atomwaffensperrvertrag. Das Uran wurde allerdings erst "Anfang der 1980er Jahre" der "zivilen Nutzung " zugeführt, schreibt die NZZ. Man soll solche Entscheidungen ja nicht überhastet fällen.

Was lehrt uns dieses Beispiel für die Gegenwart? Nichts gutes, fürchte ich. In einer zugespitzten politischen Situation neigen offenbar auch Menschen, die sonst als besonnen gelten, zu gefährlichen Trugschlüssen. Im kommenden Kriegen könnte Künstliche Intelligenz - wie manche befürchten- die Waffentechnlogie der Wahl werden. Die braucht keine milliardenteuren Bomber.

(wst)