Linux-Aus: Niedersachsen will knapp 13.000 Rechner auf Windows umstellen

In der niedersächsischen Steuerverwaltung sollen die Arbeitsplatz-Computer von Linux auf Microsoft migriert werden.

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Tux-Figuren

(Bild: dpa, Tobias Kleinschmidt)

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Nach München droht dem Pinguin nun auch auf niedersächsischen Verwaltungsrechnern das Aus . Derzeit laufen in der Steuerverwaltung des Bundeslands etwa 13.000 Arbeitsplatzcomputer mit einem Linux-Betriebssystem, für das entsprechende Fach- und Büroanwendungen meist ebenfalls als Open-Source-Software bereitgestellt werden. Wie eine Sprecherin des Finanzministeriums gegenüber heise online bestätigte, ist nun aber eine Migration der Rechner auf ein Betriebssystem von Microsoft "in einer dann aktuellen Version" geplant. Dabei werde es sich vermutlich um Windows 10 handeln.

"Hierzu werden gerade im Landesamt für Steuern Niedersachsen die Rahmenbedingungen und möglichen Lösungsalternativen erarbeitet", heißt es in Hannover. Für Windows spreche insbesondere, dass dieses bereits auch in der Finanzverwaltung schon "in großem Umfang" insbesondere im Außendienst und bei Telearbeitsplätzen eingesetzt werde. Die Landesregierung habe vorgegeben, die Arbeitsplatzsysteme zu vereinheitlichen und so Verfahren zu vereinfachen sowie die Softwareentwicklung im steuerlichen "Konsens-Verbund" zu erleichtern. Für das über mehrere Jahre laufende Gesamtprojekt wolle die Exekutive im kommenden Jahr 5,9 Millionen Euro und für die Folgejahre jeweils 7 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Für detailliertere Aussagen, welcher der derzeit untersuchten Lösungsansätze tatsächlich verfolgt wird, sei es noch zu früh, erklärte das Ministerium weiter. Zunächst müssten die Rahmenbedingungen festgelegt und eine Vorauswahl möglicher Lösungsansätze getroffen werden. Im Anschluss könne eine "Entscheidung über das weitere Vorgehen und eine Kosten-/Nutzenabwägung in Auftrag gegeben werden". Aufgrund der Komplexität des IT-Betriebs und der sehr heterogenen Rahmenbedingungen dürften fundierte Angaben dazu nicht vor Ende des Jahres möglich sein.

Eine EU-Beobachtungsstelle führt die vorausgegangene Umstellung der Rechner auf OpenSuse 12.2/13.2 seit 2012 als Vorzeigeprojekt für eine erfolgreiche "XXL-Migration". Laut einer Umfrage habe der Großteil der Nutzer etwa in den rund 70 Finanzämtern Niedersachsens den Wechsel begrüßt und sich nach Trainingsstunden gut bis sehr gut darauf vorbereitet gesehen. Rechtliche Probleme habe es nicht gegeben, die Umstiegskosten hätten sich im Rahmen gehalten.

Ein Upgrade oder Wechsel des Linux-Systems wäre früher oder später nötig gewesen, da die eingesetzten Suse-Varianten von dem Hersteller offiziell nicht mehr mit Support unterstützt werden. Die rund 12.500 Rechner auch auf dem Desktop in der Open-Source-Welt zu halten, würde unter anderem neue Schulungskosten sowie möglicherweise den Austausch mancher Hardware einsparen.

Ganz überraschend kommt das Vorhaben der Migration trotzdem nicht. So haben SPD und CDU in ihrem Koalitionsvertrag von 2017 bereits für die Steuerverwaltung festgehalten: "Wir werden den in Niedersachsen bislang Linux-basierten Verfahrensbetrieb aufgeben." Mit diesem Ansatz solle die länderübergreifende Zusammenarbeit erleichtert und der "Aufwand in Programmierung und Verfahrensbetreuung" reduziert werden. Begriffe wie "Open Source" oder "freie Software" tauchen in dem rot-schwarzen Fahrplan dagegen nicht auf.

Schon in der niedersächsischen IT-Strategie, die 2016 noch unter Rot-Grün entstanden ist, dreht sich zudem viel um die anzustrebende "Konsolidierung der IT-Landschaft der Landesverwaltung". Bezogen auf die IT-Arbeitsplätze ist davon die Rede, dass künftig umfassend "standardisiert" Client-Rechner zum Einsatz kommen sollen. Hierdurch sollen "wirtschaftliche Synergieeffekte" erzielt, die Arbeitsqualität verbessert und die Informationssicherheit auf ein "einheitliches Schutzniveau" gehoben werden.

Für viele Verwaltungsbereiche hat der Landesbetrieb IT.Niedersachsen auf Basis dieser Vorgaben mittlerweile einen "Niedersachsen-Client" entwickelt, der auf Windows 8.1 und Microsoft Office 2013 basiert. Laut der Regierungssprecherin ist es aber fraglich, ob diese bestehende "Standard-Lösung" für die Steuerverwaltung tauge, da letztere – ähnlich wie die Polizei – "andere Anforderungen" habe als die allgemeine Verwaltung. Die Landespolizei hatte bereits 2014 damit geliebäugelt, nach gut elf Jahren knapp 12.000 IT-Arbeitsplätze von Linux auf Windows umzustellen und das für die Vorgangsbearbeitung genutzte Open-Source-System Nivadis abzuwickeln. Den Schritt ist man dann aber doch nicht gegangen.

Zum Konzept des Niedersachsen-Clients gehört zugleich prinzipiell der Einsatz freier Software. Nach Regierungsangaben bedeutet dies, dass "für alle wesentlichen Anwendungsfälle eines typischen Büroarbeitsplatzes auch eine Open-Source-Lösung bereitgestellt wird". Die jeweilige Behörde entscheiden dann, welche Office-Programme oder Mail- und Browsersoftware verwendet werde. Im Rahmen der Einführung neuer Verfahren und Anwendungen werde stets "proaktiv die Nutzungsmöglichkeit quelloffener Programme geprüft". Derzeit würden in der Landesverwaltung im Client- und Serverumfeld zu gut einem Drittel Open-Source-Software beziehungsweise grundsätzlich nicht kostenpflichtige Programme eingesetzt. Der "gesunde Wettbewerb" um bessere IT-Komponenten werde zudem durch das geltende Vergaberecht gewährleistet und gefördert.

Den skizzierten Kurswechsel in der Steuerverwaltung kritisiert die Free Software Foundation Europe (FSFE) scharf. Der Fall Limux in München habe gezeigt, "dass Migrationen zurück in die proprietäre Softwarewelt enorme Kosten verursachen", erklärte FSFE-Programm-Manager Max Mehl gegenüber heise online. Anstatt die Chance zu nutzen, die bestehende Infrastruktur aus Linux-Systemen auszubauen, "begibt man sich freiwillig zurück in einen Käfig aus künstlichen Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern". Vorteile für die Verwaltung und den Steuerzahler seien dabei nicht zu erwarten, auch die IT-Sicherheit werde durch weniger transparente Programme nicht gestärkt. Mehl riet Niedersachsen, eine "zukunftsgerichtete IT-Strategie" etwa nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins zu entwickeln.

[Update 25.07.2018 – 09:05 Uhr] Der Wechsel auf OpenSuse erfolgte nicht von Windows, sondern von Solaris. Das wurde korrigiert. (axk)