Post aus Japan: Von Robotern und kindlicher Gewalt

Südkoreanische Forscher erproben eine Roboterschildkröte als Gegenmittel für ein Problem, das japanische Forscher aufgedeckt hatten: Kinder, die Automaten piesacken.

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Post aus Japan: Von Robotern und kindlicher Gewalt

Wer würde diesem Roboter etwas antun...?

(Bild: Softbank)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Es gibt ein kindliches Gewaltphänomen und pädagogische Gegenstrategien, auf die man vielleicht zuerst nur in Ostasien kommen konnte: Roboter, die von Kindern malträtiert werden.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Besonders in Japan sind die Automaten bereits seit Jahren im Alltag präsent. Und so verwundert es vielleicht nicht, dass ein Forscherteam schon früh, genauer gesagt 2015, untersuchte, wie Kinder mit dem noch sehr einfachen Kommunikationsroboter Robovie 2 vom Technikinstitut ATR umgingen. Der Befund des Versuchs in einer Shopping-Mall war ernüchternd: Kinder versperrten dem Roboter den Weg, umzingelten, schlugen oder traten ihn.

Wer weiß, wie Kleinkinder gerne ihre Grenzen austesten, dürfte davon nicht überrascht sein. Umso mehr brachte die bekannte Studie aus Japan nun Forscher im nicht weniger roboteraffinen Südkoreas auf die Idee, schon Kleinkindern Respekt vor Robotern anzuerziehen. Im März stellten das Roboterlabor der Internetfirma Naver, des südkoreanischen Grundlagenforschungsinstitut Kaist und der Seoul-National-Universität dann ihren Roboterpädagogen vor: eine Roboterschildkröte mit leuchtenden Panzer und beweglichen Gliedmaßen. Sie konnte etwas, das das japanische Maschinenwesen noch nicht wirklich beherrschten: negatives Feedback geben – und zwar auf die sanfte Tour.

Shelly nannten die Ingenieure das Gerät. Sensoren im Panzer zeigen dem Roboter an, wann Kinder streicheln und wann sie schlagen. Sind die Kinder nett zum Tierimitat, leuchten die LEDs im Panzer bunt auf. Behandeln sie das Wesen gemein, leuchtet der Roboter rot auf, zieht den Kopf ein und unterbricht damit für 14 Sekunden das Spiel. Danach wagt er sich wieder aus seinem Panzer.

Roboterschildkröte Shelly

(Bild: Naver Labs)

Die Dauer der Pause ist mit Bedacht gewählt. Die Experten fanden nämlich heraus, dass Kinder die Schildkröte mehr schikanierten, wenn sie sich für weniger als sieben Sekunden zurückzog. Versteckte sie sich allerdings für mehr als 28 Sekunden, begann der menschliche Nachwuchs das Interesse am gemeinsamen Spiel zu verlieren. In einem Interview mit dem Spectrum-Magazin der Ingenieurs- und Technologenvereinigung IEEE erklärte Jason J. Choi von Naver Labs seine Erkenntnisse. Nach der Studie des japanischen Kollegen Tatsuya Nomura würde die Mehrheit der Kinder, die Roboter drangsalieren, dies 1. aus Neugier, 2. aus Vergnügen und 3. angestiftet von anderen Kindern im Pulk tun.

Verbale Warnungen, Ausweichmanöver und Flucht aus der angespannten Lage wie damals beim Roboter Robovie 2 würden nur wenig wirken, stellen die Forscher fest. Die japanischen Forscher programmierten ihrem Roboter beispielsweise ein, bei Kindern (sprich Gefahr im Verzug) die Nähe zu den erwachsenen Erziehungsberechtigen zu suchen. Die Hoffnung dabei war, dass die Erwachsenen ihrem erzieherischen Auftrag gerecht werden und das Kind zu einem sanften Umgang mit der Maschine mahnen. Doch ein Ergebnis der Koreaner legte nahe, dass ausweichende Roboter teilweise noch mehr malträtiert werden. Erfolgreicher sei dagegen der eigene Ansatz gewesen, attraktive Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu unterbrechen.

Ob sich allerdings die Ergebnisse vom Versuch mit einer simplen Roboterschildkröte auf komplexere humanoide Roboter übertragen lassen, muss sich noch zeigen. Wenn immer der Autor dieser Zeilen Kinder mit dem ersten in recht großer Serie hergestellten zweiarmigen und großäugigen Kommunikationsroboter Pepper von Softbank, einem riesigen japanischen Technikinvestor, umgehen sieht, macht er sich Sorgen um die körperliche Unversehrtheit des Geräts.

Softbanks Roboterprogrammierer Yusuke Abe behauptet auf Anfrage zwar, dass "Pepper gar nicht von Kindern gemobbt wird." In den Softbank-Läden, wo er als Ansprechpartner eingesetzt wird, würden Kinder Pepper eher anhimmeln. Denn das Gerät mit dem großes Tablet auf der Brust kann die Kinder nicht nur mit Apps bespielen. Er kann auch interagieren. "Ich habe nicht gehört, dass Pepper-Geräte gemobbt oder durch Kinder beschädigt worden wären."

Ich frage mich allerdings, ob es nicht doch zu Schadfällen kommt – und zwar nicht aus Bosheit. Auch ich habe noch kein Kind gesehen, das Softbanks Roboter vertrimmt. Vielleicht benimmt er sich zu menschlich dafür. Aber mich würde es wundern, wenn die Ingenieure nicht wenigstens ausgerenkte Fingerglieder verarzten mussten. Denn die Kleinen zeigen ihre Liebe doch oft recht robust. Selbst Händchenhalten kann eskalieren, da Pepper noch nicht wirklich greifen und Feedback über die Stärke von Händedrücken geben kann.

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