EuGH: EU-Regeln zur Gentechnik sind auf neue Verfahren anwendbar

Gelten die rund 18 Jahre alten EU-Regeln zur Gentechnik auch für neuere Verfahren? Der EuGH hat dazu nun ein Grundsatzurteil gefällt.

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Der Europäische Gerichtshof hat mit einer Grundsatzentscheidung verhindert, dass mit neueren Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel ungekennzeichnet in die Supermärkte gelangen. Neuere Methoden der sogenannten gezielten Mutagenese fielen unter die geltenden EU-Regeln, erklärte das oberste EU-Gericht am Mittwoch in Luxemburg (Rechtssache C-528/16). Damit gelten für Lebensmittel, die derart verändert wurden, spezielle Kennzeichnungspflichten. Außerdem müssen beispielsweise Pflanzen, die mit den neuen Verfahren erzeugt wurden, vor der Zulassung auf ihre Sicherheit geprüft werden.

Den vorliegenden Fall hatte ein französisches Gericht nach Luxemburg verwiesen. In der entsprechenden EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 sind gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) definiert als Organismen, deren genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise nicht möglich ist. Allerdings sind ältere Mutagenese-Verfahren, die als sicher gelten, von den strengen GVO-Regeln ausgenommen. Dabei werden Änderungen im Erbgut erreicht, ohne dass fremde DNA eingefügt wird.

Französische Verbände hatten in ihrer Klage argumentiert, dass im Laufe der Zeit neuere Mutagenese-Verfahren entwickelt wurden, mit denen gezielte Mutationen in Genen möglich seien und die schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben könnten. Sie müssten daher denselben Verpflichtungen wie andere genetisch veränderte Organismen unterliegen und speziell überprüft und gekennzeichnet werden.

Die Luxemburger Richter folgten dieser Argumentation nun weitgehend. Mit den neuen Mutageneseverfahren ließen sich die gleichen Wirkungen erzielen wie mit der Einführung eines fremden Gens in einen Organismus, erklärten sie. Die dabei entstehenden Gefahren seien größer als bei den älteren Verfahren. Ziel der EU-Regelung sei es aber, grundsätzlich schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verhindern.

Umweltschützer begrüßten das Urteil. Damit sei der Versuch der Biotech-Industrie gescheitert, unerwünschte genetisch veränderte Produkte auf den Markt zu drücken, sagte Mute Schimpf von der Organisation "Friends of the Earth". In Deutschland gibt es Lebensmittel, für die die GVO-Regularien gelten, bislang nur ganz vereinzelt zu kaufen. Die überwiegende Mehrheit der Verbraucher lehne sie ab, heißt es beim Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels als Begründung.

Der Deutsche Bauernverband hatte hingegen davor gewarnt, Produkte, die mit gezielter Mutagenese erzeugt wurden, den GVO-Regeln zu unterwerfen. Das Urteil verbaue nun die Möglichkeiten, mit Hilfe von Pflanzenzüchtung auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren, sagte Präsident Joachim Rukwied am Mittwoch. Laut der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie standen viele Unternehmen bereits in den Startlöchern.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat zwiegespalten auf das Urteil zu neueren Gentechnikverfahren reagiert. Staatssekretär Hermann Onko Aeikens sagte am Mittwoch in Berlin, für das Ministerium stehe immer der gesundheitliche Verbraucherschutz und der Gesundheitsschutz im Vordergrund. Zugleich erklärte Aeikens: "Aus Sicht des Verbrauchers ist es ein ambivalentes Urteil. Wir haben eine Situation, dass Innovation ein Stück weit ausgebremst wird."

Aeikens führte aus, neue "Züchtungstechnologien" hätten ein "erhebliches Innovationspotenzial". Er nannte als Beispiel Sorten, die besser mit Klimaveränderungen umgehen könnten. Außerdem gebe es die Möglichkeit, haltbarere Lebensmittel herzustellen. (axk)