Kreativer Verscheiden

Man will es genau wissen, wenn es um die Gesundheit geht. Die ICD kennt viele kuriose Todesursachen. Künftig könnten einige hinzukommen.

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Von
  • Anton Weste

Es gibt für alles irgendeine Schublade. Die aktuell gültige Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – kurz: ICD-10 – listet sehr feinmaschig auf, woran ein Mensch so leiden kann. Das führt unter anderem dazu, dass man neben den häufigsten Todesursachen auch sehr ungewöhnliche und seltene Todesursachen statistisch erfassen kann.

Es gibt in dieser internationalen Klassifikation ein paar nationale Sonderwege. Die Deutschen führen beispielsweise in ihrer Modifikation (ICD-10-GM) sämtliche Verkehrsunfälle unter einem gemeinsamen Kennzeichen. Egal, ob jemand durch einen Busunfall, Eisenbahnunfall, Lieferwagenunfall, Reitunfall oder Unfall eines tierbespannten Fahrzeuges oder Straßenbahnunfall in Mitleidenschaft gezogen wurde, er hat hierzulande stets V99! – den Transportmittelunfall – erlitten. (Ausgenommen ist dabei aber das Quetschen eines Fingers in der Fahrzeugtür, das gehört selbstredend zu W49.9!) In den USA ist man im Verkehrswesen etwas differenzierter. Ein nationaler Report zu Todesursachen führt etwa an, dass im letzten Jahr 8 Personen als Insassen eines Hängegleiters starben.

Dabei liest sich die Todesursachenstatistik auch schon in vielen anderen Bereichen skurril genug: Je eine Person starb an der Taubenzüchterkrankheit und am Vitamin-B1-Mangel Beriberi. Fünf Personen erlitten tödliche Verletzungen beim Kontakt mit Spinnen (X21). Eine Person verschied durch einen explodierenden Boiler (W35), eine andere beim Durchführen eines Einlaufs (Y60.7). Und ich möchte mir eigentlich nicht im Detail vorstellen, wie das eine erfasste Opfer mit der Todesursache Versagen genitaler Reaktionen (F52.2) - eingeordnet unter "Verhaltensauffälligkeit mit körperlichen Störungen und Faktoren" - verschied.

Die ICD-Klassifikation wird immer wieder reformiert, um mit wissenschaftlichen Erkenntnissen Schritt zu halten. So wird etwa seit 1992, dem Jahr der Einführung der ICD-10, Homosexualität nicht mehr als Krankheit geführt. Derzeit liegt die erste Fassung der ICD-11 vor und sammelt Feedback aus der Wissenschaft. 2019 soll die ICD-11 auf der Weltgesundheitsversammlung der WHO verabschiedet werden und 2022 in Kraft treten. Sie soll auch der Stigmatisierung von Transpersonen entgegenwirken, indem Transsexualität nicht mehr als psychische Störung aufgefasst wird. Eine längst überfällige Maßnahme.

Auch die Aufnahme neuer Gesundheitsschädigungen durch den Technologiewandel ist möglich. Vielleicht schafft es dann etwa der Todesfall durch Roboterwagen als neue Klassifikation in die amerikanische ICD. Oder die "letale Konservierung zwecks künftiger Bewusstseins-Extraktion". Ist zwar dann irgendwie modern, aber mein Wunschtod wäre es dennoch nicht. Man muss ja nicht jede Verrücktheit mitmachen.

(anwe)