Zeichen der Zeit

Modelloffensive „More roads to Harley-Davidson“

Harley-Davidson erfindet sich gerade neu und will in bisher für sie völlig fremde Sparten wie Reiseenduros, Streetfighter und Elektromotorräder vordringen. Das ist für Harley-Davidson eine Sensation, aber in Anbetracht der dramatisch sinkenden Absatzzahlen auch dringend nötig

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  • iga
Inhaltsverzeichnis

Seit Jahren klagt die US-Marke über dramatisch sinkende Absatzzahlen, doch erst jetzt reagiert man in Milwaukee und wird zukünftig neben den schweren Cruisern und Choppern auch Elektrobikes und Modelle aus angesagten Sparten anbieten. Es ist allerhöchste Zeit. Bleibt die Frage, ob sich Harley-Davidson gegen die etablierte Konkurrenz in den ihr fremden Segmenten behaupten kann.

Die schlagartige Ausweitung der Modellpalette auf andere Sparten ist ein Alarmsignal, wie schlecht es um Harley-Davidson steht. Jahrzehntelang hat die US-Marke ausschließlich Chopper und Cruiser gebaut, fast alle wurden von einem luftgekühlten 45-Grad-V2 mit untenliegender Nockenwelle und Stößelstangen angetrieben, wie es seit 1909 Tradition ist. Man lebte lange Zeit gut vom Easy-Rider-Image, doch mittlerweile sterben die Kunden weg.

Harley sterben die Kunden weg

Der Altersdurchschnitt der Harley-Davidson-Käufer liegt bei weit über 50 Jahren und der Nachwuchs bleibt aus. Eine Konstellation, die in keiner Branche gut gehen kann. Seit Jahren sinken bei Harley-Davidson die Umsatzzahlen, man rechnet in Milwaukee für dieses Jahr mit 231.000 bis 236.000 verkauften Motorrädern weltweit und 8,2 Millionen Dollar Gewinn. Das klingt vielleicht viel, doch 2006 verkaufte die Marke noch 370.000 Motorräder und machte 252 Millionen Dollar Gewinn.

Dann kam auch noch Donald Trump auf die Idee, einen Handelskrieg vom Zaun zu brechen und er belegte Stahl und Aluminium aus dem Ausland mit 25 Prozent Zoll. In der Führungsetage von Milwaukee werden sie sich die Haare gerauft haben. Die Reaktion aus der EU erfolgte prompt und man erhöhte den Zoll auf amerikanische Motorräder auf 31 Prozent. Schon zu Beginn des Jahres schloss Harley-Davidson sein Montage-Werk in Kansas City und setzte 800 Mitarbeiter auf die Straße.

Erstes Opfer im Handelskrieg

Ein deutliches Zeichen, wie sehr die einst erfolgsverwöhnte Marke ins Trudeln geraten ist. Dann verkündete Harley-Davidson-Boss Matt Levatich, die Produktion zum Großteil ins Ausland nach Indien und Thailand verlegen zu wollen, wo die Lohnkosten erheblich niedriger sind. Darauf polterte Donald Trump, er wolle andere Motorradmarken ins Land holen, um Harley-Davidson zu bestrafen. In Milwaukee gibt es zurzeit nicht viel zu lachen.

Nun reagiert Harley-Davidson mit einer Großoffensive und hat just neue Modelle für populärere Sparten wie die der Reiseenduros, Streetfighter, kleinen Hubraumklasse und sogar Elektrobikes angekündigt. Gerüchteweise könnten auch noch Scrambler, Flat Tracker und vielleicht ein vollverkleideter Sportler folgen. Die ersten Fotos der Prototypen hat Harley-Davidson gleich mitgeliefert. Die Marke nennt ihre Offensive: „More roads to Harley-Davidson“, sie soll 2020 beginnen und bis 2022 abgeschlossen sein.