Das neue Edelholz

Holz wird durchsichtig, elektrisch leitend, magnetisch: Wer in dem Material nur einen Rohstoff für Bodenbelag und Möbel sieht, ist auf dem Holzweg.

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Das neue Edelholz

(Bild: Foto: Woodoo)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Wolfgang Richter

Mahagoni glitzert mit tausend Sternchen, Tanne glänzt wie Perlmutt, Eiche erinnert an den Panzer eines Insekts. Wenn der junge Architekt und Materialforscher Timothée Boitouzet seine Proben gegen die Sonne hält, erkennt man bei manchen gar nicht, dass es sich um Holz handelt. Es ist allerdings auch kein gewöhnliches Holz, denn Boitouzet hat es durchsichtig gemacht, es schimmert wie Eis. Sein Pariser Start-up Woodoo entfernt dazu einen lichtundurchlässigen Bestandteil des Holzes – das Lignin – und ersetzt es durch einen biobasierten, durchsichtigen Kunststoff. Die natürliche Struktur des Holzes wird dabei nicht verändert. Obwohl Woodoo erst seit zwei Jahren existiert, hat es mit seiner Methode bereits 24 Innovationspreise eingeheimst.

Das liegt zum einen sicher daran, dass die mehrere Millimeter dicken Paneele extrem ästhetisch wirken und dafür prädestiniert sind, in Luxusautos, Jachten und Penthäusern effektvoll von hinten ausgeleuchtet zu werden. Nach eigenen Angaben hat Woodoo bereits Verträge mit dem französischen Luxuskonzern LVMH abgeschlossen – Inhalt allerdings streng geheim. Boitouzet aber hat eigentlich etwas anderes im Sinn. „Durch das Polymer wird das Holz bis zu zehnmal stärker“, sagt er. Denn es nähme nicht nur den Platz des Lignins ein, sondern würde auch in die von Natur aus vorhandenen luftgefüllten Zwischenräume eindringen. „Damit wird das Holz auch unempfindlicher gegenüber Wasser und feuerfester.“ Dicke Bohlen aus jeweils senkrecht zueinander verleimten Lagen des neuen Materials sollen so zur Grundlage des Bauens werden. „Das 19. war das Jahrhundert des Stahls, das 20. das des Betons. Das 21. Jahrhundert wird das des Holzes werden“, ist sich Boitouzet sicher.

Tatsächlich hat die Holzforschung gerade in den letzten Jahren erstaunliche Erfolge erzielt. Die Entwicklung läuft dabei in zwei gegensätzliche Richtungen. Einerseits versuchen Wissenschaftler, die Eigenschaften von Holz so zu verbessern, dass es immer mehr Funktionen erfüllen kann. Sie machen Holz antimikrobiell, wasserfest oder durch eingelagerten Kalk feuersicher, stellen sogar magnetisches oder elektrisch leitendes Holz her. Auf der anderen Seite zerlegen Forscher das Holz in seine Bestandteile und produzieren aus diesen gänzlich neue Materialien, die Produkte aus Erdöl ersetzen können.

Um die vielen unterschiedlichen Konzepte zu verstehen, ist ein Crashkurs in Holzkunde unumgänglich: Das Gerüst für die Zellwände eines Baums liefert die Zellulose, ein Polymer, das aus vielen Tausend Glukosemolekülen besteht. Etwa hundert dieser Stränge lagern sich zu einer „Elementarfibrille“ zusammen, stabilisiert von den Anziehungskräften zwischen ihren Wasserstoffatomen. Jeweils etwa 20 dieser Elementarfibrillen bilden gemeinsam eine Mikrofibrille mit einem Durchmesser von 10 bis 30 Nanometern und einer Länge von mehreren Mikrometern. Diese Mikrofibrillen wiederum bündelt der Baum zu Makrofibrillen mit einem Durchmesser von mindestens 500 Nanometern, wobei sich Zwischenräume von einigen zehn Nanometern bilden. Diese sind teilweise mit Lignin ausgefüllt. Während die Fibrillen für die Zugfestigkeit des Holzes verantwortlich sind, sorgt der Füllstoff Lignin für die notwendige Druckfestigkeit. Den Kontakt zwischen beiden vermitteln die sogenannten Hemizellulosen – sie bestehen nicht aus Glukose, sondern aus anderen Zuckersorten, und ihre Polymerstränge sind nur einige Hundert Moleküle lang.

„Verglichen mit den drei anderen klassischen Baustoffen Stahl, Glas und Beton ist Holz sehr komplex aufgebaut“, sagt der Leiter der Holzforschung an der TU München, Klaus Richter. Denn nicht nur die Zellwände eines Baums sind kunstvoll konstruiert. Die Zellen selbst unterscheiden sich je nach ihrer Funktion für den Baum, und ihre hohlen Innenräume sind über ein Netzwerk dünner Kanäle und Ventile miteinander verbunden. Die komplizierte Struktur sei Segen und Fluch zugleich, sagen die Holzforscher. „Holz wurde durch die Evolution in Jahrmillionen optimiert“, erklärt Richter. „Das Ziel der Natur war dabei aber, dass ein Baum lange lebt. Nicht, dass er uns schöne Bretter liefert.“

(grh)