Mit den Kryptofahndern auf Jagd

Kryptowährungen erweisen sich als weit weniger privat als gedacht. Ermittler nutzen das bei der Jagd auf Diebe und Betrüger.

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Mit den Kryptofahndern auf Jagd

(Bild: Foto: Dan McGinn/ Imperial College London)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Douglas Heaven

Aus dem leeren Raum tauchen bunte, stachelige Gebilde auf, bis sie pulsierend und tanzend den wandgroßen Bildschirm ausfüllen. Diese Datenvisualisierung in einem Labor am Imperial College London ist hypnotisch und verwirrend. Man versteht sie erst, wenn man weiß, was man sieht: eine wachsende Bitcoin-Blockchain.

Ein zerfranster blauer Kreis entsteht, und Kryptoforscher William Knottenbelt kommentiert: „Hier sieht man jemanden, der Bitcoin einnimmt und dann an Tausende andere Leute auszahlt. Das könnte ein Mining-Pool sein, der Leute belohnt, die dazu beigetragen haben, ein paar Blöcke zu finden.“ Er zeigt auf eine seltsame Ansammlung von Formen: „Ah, diese Struktur hier ist interessant.“ Mehrere blaue Kreise erscheinen – weitere Auszahlungen auf mehrere Konten –, aber sie werden durch ein schraffiertes Netz gelber Linien verbunden. Es könnte auf Kriminelle bei der Arbeit hinweisen.

Was Kryptowährungen für sie so anziehend macht: Es gibt kaum eine Möglichkeit, Konto und Identität des Inhabers miteinander in Verbindung zu bringen. Zudem kann das Geld ohne Zwischenhändler über internationale Grenzen hinweg genauso einfach verschickt werden wie eine E-Mail. „Statt auf einem dunklen Parkplatz einen Koffer mit Cash zu übergeben, kann ich mit einem Laptop auf einem Balkon in Monaco sitzen“, sagt Jeffrey Robinson, investigativer Journalist und Autor von „BitCon: The Naked Truth about Bitcoin“.

Kluge Kriminelle machen von diesen Möglichkeiten reichlich Gebrauch. Eine aktuelle Studie des Start-ups Elliptic und des Center on Sanctions and Illicit Finance ergab von 2013 bis 2016 eine Verfünffachung groß angelegter Bitcoin-Betrügereien. Die Forscher verfolgten mehr als 500000 Bitcoins und stießen dabei auf 102 illegale Aktivitäten wie Dark-Web-Marktplätze, Schneeballsysteme und Ransomware-Erpressungen. 95 Prozent aller nachverfolgten gewaschenen Münzen stammten von nur neun Dark-Web-Marktplätzen, darunter Silk Road, Silk Road 2.0, Agora und AlphaBay. Dort lassen sich nicht nur Drogen oder Waffen ordern, sondern auch Dienstleistungen wie Prostitution, Mord – und Rechtsberatung. „Es gibt Anwälte, die Bitcoins nehmen, um zu verraten, wie man mit Bitcoins nicht erwischt wird“, sagt Robinson.

Cryptocrime infiziert sogar die Offline-Welt: In den letzten Monaten kam es zu einer Flut von Überfällen, bei denen die Opfer mit vorgehaltenem Messer gezwungen wurden, ihre Kontoinformationen preiszugeben.

Doch Hilfe naht. Eine ganze Branche beschäftigt sich mittlerweile mit Gegenmaßnahmen. Die Kryptowährungen sind nämlich weit weniger privat, als es ihre Gründer erhofft hatten. Da alle Vorgänge in einem öffentlichen Buch erfasst werden, kann jeder die gesamte Transaktionshistorie – bei Bitcoin derzeit rund 160 Gigabyte – herunterladen oder über Webseiten wie Blockchain.info im Browser einsehen. Auf diese Weise lassen sich auch unrechtmäßig erworbene Gelder verfolgen.

Dies half, einen großen Raub aufzudröseln. Im Jahr 2014 wurde Mt. Gox gehackt, seinerzeit die größte Bitcoin-Börse der Welt. Unbekannte stahlen 850000 Bitcoins im Wert von damals über 450 Millionen Dollar. Als Mt. Gox Bankrott machte, beauftragten die Insolvenzverwalter ein Team von Forensikern, die fehlenden Münzen zu suchen. Die Forscher fanden ein Chaos vor. „Mt. Gox wusste nicht, wie viele Bitcoins es wem schuldete und wie viele Bitcoins es tatsächlich hatte – bis es merkte, dass sie weg waren“, sagt Jonathan Levin, der die Untersuchung leitete. Mit seinen Leuten verfolgte er die Gelder schließlich bis zu einer Börse namens BTC-e, wo die Spur kalt wurde.

(grh)